Olympia-Ausschluss:Der Filz in der Leichtathletik ist dicht

IAAF Council to decide on Russian Olympic ban

Die Sportwelt jubelt, Russlands Medien schimpfen: Olympia in Rio wird wohl ohne russische Leichtathleten stattfinden.

(Foto: dpa)

Russlands Athleten werden zu Recht von Olympia ausgeschlossen. Doch das IOC öffnet schon eine Hintertür in Scheunentorgröße.

Kommentar von Thomas Kistner

Spektakulär wirkt es und alternativlos ist es, wenn jetzt der Leichtathletik-Weltverband IAAF Russlands Sportler von den Sommerspielen in Rio de Janeiro verbannt. Ein staatlich gestützter Dopingbetrug über Jahrzehnte hinweg zwingt zu diesem Schritt, der übrigens nicht einmalig ist: Gerade wurden Bulgariens Gewichtheber ausgeschlossen.

Die Sportwelt jubelt, Russlands Medien schimpfen. Allerdings vereint Claqueure und Kritiker das Unbehagen über eine Scheinheiligkeit, die ebenfalls zur Affäre gehört. In Teilen ist es ja nicht falsch, was Moskauer Blätter beklagen: Dem Leichtathletikweltverband geht es mehr um seine Selbstdarstellung als um die Fakten.

Die Faktenlage ist klar: Im Report der internationalen Kontrolleure, die Russlands Athleten seit November überwachten, steht jede Menge Entlarvendes. Sportler wurden sogar in militärische Sperrgebiete verfrachtet, Inspektoren bekamen keinen Zutritt. Geheimdienstler schüchterten Besucher ein, 736 Dopingtests scheiterten. Sportminister Vitali Mutko meinte dazu: "Die Kontrolleure müssen uns nur informieren. Aber nicht in letzter Minute."

Auch solche Einlassungen offenbaren, wie die Verhältnisse sind. Russland will vorab von den Kontrollen informiert werden. Die Untersuchungskommission will sogar beweisen können, dass Vertuschungsaufträge aus dem Sportministerium ergangen seien. Bei der WM 2013 in Moskau soll das Labor unter staatlicher Regie Dopingfälle ebenso vertuscht haben wie 2014 bei den Winterspielen in Sotschi. Auch der in die USA geflohene Laborchef bestätigt das.

Dass so ein Labor vor Kurzem von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada wieder für Bluttests akkreditiert wurde, offenbart das Problem im Problem: die Funktionäre. Russische Offizielle wittern jetzt eine PR-Aktion des Weltsports. Sie wissen ja genau, wie beharrlich Amtsträger von IAAF und Wada viele Jahre wegschauten; auch noch, als sie konkret auf die Umtriebe hingewiesen wurden. Dabei war die alte IAAF-Spitze offenbar selbst in kriminelles Tun verwickelt, gedopte Sportler mussten sich freikaufen. Der langjährige IAAF-Boss Lamine Diack sitzt in Paris fest, Interpol jagt seinen Sohn. Und Nachfolger Sebastian Coe watet selbst schon hüfthoch im Sumpf.

Filz unter Sportkameraden ist dichter als anderswo. Coe kann mit dem Schlag gegen die Russen von sich selbst ablenken. Den Rest müssen die Herren der Ringe richten, das Internationale Olympische Komitee. Wladimir Putin hat Freund Thomas Bach signalisiert, er erwarte "eine Reaktion des IOC". Schon öffnet sich eine Hintertür in Scheunentorgröße: Einzelne Sportler können sich per "Sauberkeitsnachweis" qualifizieren. Famose Idee, die man einmal in der Karnevalszeit erproben könnte: Zum Alkoholtest geht der Zecher selbst aufs Revier. Am besten nüchtern.

Diese letzte List des IOC könnte Russlands Sport selbst noch durchkreuzen. Denn der Verdacht erhärtet sich, dass auch im Schwimmen mit System gedopt wurde. Ein Ausschluss des ganzen Teams dürfte bald das Thema sein.

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