Olivenöl:Ein Tropfen Wonne

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Italienisches Olivenöl ist begehrt - deswegen wird es oft gepanscht. Dieses Jahr ist es besonders schlimm. Neue Tests sollen helfen, Betrüger zu entlarven und den Ruf des "extra vergine" zu retten.

Von Oliver Meiler

Beim ewigen Versuch, dem schönen Mittelmeerraum eine gemeinsame Kulturerzählung angedeihen zu lassen, wird man immer auch beim Olivenbaum landen, bei der Olive und ihrem Öl, dem Lebenssaft der Region. Kann man sich die mediterranen Küchen überhaupt vorstellen ohne diesen fein-trüb-grünen Extrakt aus kleinen schwarzen und grünen Früchten, die nirgendwo gedeihen außer im Süden? Leben nicht Sinne und Sehnsüchte auf, wenn man nur daran denkt, wie Knoblauch und Zwiebeln darin dünsten, wie das Olivenöl von Mozzarella und Bruschetta trieft? Kalt gepresste Wonne!

Die Italiener nennen es "extra vergine" und meinen damit, dass das gute Öl ausschließlich mechanisch aus reinen, gewissermaßen jungfräulichen Oliven gewonnen wird, die davor nur gewaschen, dekantiert, zentrifugiert und gefiltert wurden. Keine Chemie, kein Gemische. Kein Öl ist wertvoller als das "extra vergine". Die Frage ist nur, ob in den Flaschen, auf denen "extra vergine" steht, auch wirklich zu "100 Prozent italienisches Olivenöl" drin ist. Sehr oft ist es das nicht, in diesem Jahr vor allem. Die Olivenernte 2014 war so karg, dass viele große italienische Hersteller sich mit billiger Ware aus Tunesien, der Türkei oder Marokko nachhalfen, um die Nachfrage zu decken. Sie ließen sich das Öl oder das Fruchtfleisch mit Containerschiffen übers Mittelmeer liefern und panschten und streckten damit ihre Produkte mit den wohlklingenden Namen.

Gegen ein halbes Dutzend der Marken, die man auch von den Supermarktregalen in nördlicheren Gegenden Europas kennt, wird ermittelt. Wegen Handelsbetrugs. In Apulien, einer der wichtigsten Anbauregionen, beschlagnahmte die Forstpolizei unlängst 7000 Tonnen betrügerisch etikettiertes Öl. Das geht mittlerweile ganz einfach: Dank einer neuen Testmethode, bei der die Struktur des Öls analysiert wird, lässt sich dessen Herkunft schnell bestimmen. Und zwar im Detail, ähnlich wie bei einem Gentest oder beim Röntgen.

Italiens Landwirtschaftsminister Maurizio Martina sagt, sein Polizeicorps habe allein in diesem Jahr 10 000 Kontrollen durchgeführt. Der Sektor sei einfach viel zu wichtig für Italien und für das Image des Landes, als dass man ihn sich von Betrügern kaputt machen lasse. In der Entschlossenheit schwingt die Sorge mit, dass Spanien, der weltweit größte Produzent, seine Marktführerschaft weiter ausbauen könnte.

Skandale gab es schon früher. Nussöle zum Beispiel, die mit etwas Farbstoff als Olivenöl camoufliert wurden. Doch noch nie standen so viele Marken gleichzeitig im Verruf. Generell gilt in Italien, dass eine Flasche Olivenöl, 0,7 Liter, mindestens sieben Euro kosten muss, damit man ihm vertrauen kann. Darunter kann es gar nicht "extra vergine" sein. Was wiederum nicht heißt, dass teure Öle nie gepanscht wären. Am besten ist ohnehin, man fährt nach Italien, erntet mit, wohnt in einem "Frantoio", einer Ölmühle, dem kalten Pressen bei, kauft ab Keller und setzt sich dann unter einen Olivenbaum im silbernen Gewand: eine Scheibe Brot, einige Tropfen Wonne, ein bisschen Salz - wie wenig es doch braucht.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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