Ole von Beust und das AKW Krümmel:"Es ist Schluss mit lustig"

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Transparenz statt Salamitaktik: Nach dem Störfall im Atomkraftwerk Krümmel fordert Hamburgs Erster Bürgermeister von Beust Aufklärung - und droht Vattenfall mit Entzug der Betriebserlaubnis.

Jens Schneider

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) regiert seit einem Jahr mit einer schwarz-grünen Koalition. Gemeinsam mit den Grünen fordert er nun von Vattenfall Konsequenzen aus dem Störfall im Atomkraftwerk Krümmel.

Ole von Beust ist sensibler in Bezug auf die Atomkraft geworden. (Foto: Foto: Getty Images)

SZ: Vor einer Woche hatten Sie fast in der ganzen Stadt Stromausfälle - Grund war der Störfall im AKW Krümmel. Wie hat das Hamburg verändert?

Beust: Es hat die Sensibilität in Hamburg, was die Angst vor Atomkraftwerken angeht, sicherlich verstärkt.

SZ: Sind auch Sie sensibler?

Beust: In Bezug auf Krümmel schon. Unabhängig von der Frage der Atomkraft können wir es uns nicht leisten, dass auf diese Art der Strom ausfällt. Bisher ging ich immer davon aus, dass Kernkraftwerke zuverlässig Strom liefern. Das ist nun offenkundig nicht so, mit schweren Folgen für die Stadt. Wir wissen von Hunderten von Schreiben von Industriebetrieben, die Schadensersatz fordern wegen ihrer Produktionsausfälle.

SZ: Welche Konsequenzen erwarten Sie vom Betreiber Vattenfall?

Beust: Erstens brauchen wir völlige Transparenz, was die Zustände in Krümmel angeht. Wir dulden keine Salamitaktik oder, dass nur zugegeben wird, was ohnehin jeder weiß. Zweitens muss innerhalb eines überschaubaren Zeitraums klar sein, dass man die Probleme in den Griff kriegt.

SZ: Und wenn nicht?

Beust: Dann sollte die Betriebsgenehmigung generell entzogen oder ein anderer Betreiber gesucht werden. Vattenfall muss wissen: Es ist Schluss mit lustig.

SZ: Wie viel Zeit geben Sie Vattenfall?

Beust: Ich kann das technisch nicht beurteilen, deswegen kann ich keine klare Frist setzen. Lassen Sie es mich so sagen: Beim letzten Mal hat es nach dem Störfall zwei Jahre gedauert. Das darf auf keinen Fall noch einmal passieren.

SZ: Wäre Ihnen wohl, wenn Krümmel noch einmal ans Netz ginge?

Beust: Das ist schwierig. Vattenfall sagt, dies sei nur ein kleiner Vorfall. Aber man fragt sich doch schon, was es zu bedeuten hat, wenn Vattenfall nicht mal solche Probleme in den Griff bekommt.

SZ: Was heißt der Störfall für die CDU?

Beust: Eine Diskussion über eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bleibt objektiv notwendig. Aber sie wird mit Sicherheit viel schwieriger.

SZ: Sie wollen sie trotzdem führen?

Beust: Ja. Allerdings sagen wir, dass nur die wirklich sicheren Kraftwerke dafür in Frage kommen.

SZ: Auch Krümmel?

Beust: Das halte ich definitiv für ausgeschlossen. Klar muss auch sein, dass der Gewinn aus Laufzeitverlängerungen eingesetzt wird, um Maßnahmen zu finanzieren, die der Erforschung der Energieeffizienz, der Anwendung regenerativer Energien sowie der Senkung der Strompreise dienen. Der Nutzen darf nicht bei den Energiekonzernen bleiben.

SZ: Mussten Sie in ihrer schwarz-grünen Koalition lange über die Reaktion auf den Störfall streiten?

Beust: Nein. Wir waren uns einig, dass die Frage, ob Vattenfall in der Lage ist, das Kraftwerk zu betreiben, schnell geklärt werden muss.

SZ: Die Koalition läuft harmonisch.

Beust: Das Verhältnis ist vertrauensvoll und professionell. Wir wissen um die jeweilige Schmerzgrenze des anderen, und wir gönnen uns gegenseitig Erfolge.

SZ: Ist sie ein Modell für den Bund?

Beust: Ich denke, die programmatische Nähe zur FDP ist einfach größer. Deshalb ist es richtig, dass CDU und CSU sich das Ziel gesetzt haben, möglichst stark zu werden und eine Koalition mit der FDP anstreben.

SZ: Und wenn es dafür nicht reicht?

Beust: Dann gilt für mich: Die Große Koalition hatte ihren Nutzen, aber sie hat sich verbraucht. Sie sollte keine Fortsetzung finden.

SZ: Sie haben in Hamburg schwarz-Grün als eine Versöhnung der Gegensätze bezeichnet, der lange fällig war.

Beust: Es ist ein Weg, den über Jahre gepflegten vermeintlichen Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie zu überwinden. Der Konflikt entspricht nicht der Lebenswirklichkeit der Menschen. Ich denke, in Hamburg gibt unsere Koalition die Lebenswirklichkeit der Großstadt wieder. Aber ich will keine großen Ratschläge für den Bund geben.

SZ: Sie müssen im Moment viel Geld in die Wirtschaft pumpen. Jetzt ist die Reederei Hapag Lloyd, an der die Stadt beteiligt ist, in Schwierigkeiten.

Beust: Es gibt dort durch die Krise bedingt Probleme bei der Liquidität, aber die sind lösbar. Wir wissen jedoch nicht, wann sich die Reedereibranche weltweit erholt. Bis dahin brauchen wir ein Konzept. Wir prüfen, was die Anteilseigner tun können, um Hapag Lloyd durch diese Krise führen zu können.

SZ: Es heißt, sie müssten einen dreistelligen Millionenbetrag zuschießen. Ist das verantwortbar?

Beust: Der Erfolg unserer Stadt basiert maßgeblich auf dem Welthandel und insbesondere der Schifffahrt. Die Stabilität Hapag Lloyds ist aber auch in nationalem Interesse, um die Schifffahrt als eine der Kernbranchen der deutschen Exportwirtschaft langfristig zu sichern. Dafür muss zunächst geprüft werden, was das Unternehmen selber tun kann und was die Gläubigerbanken beitragen können. Auf lange Sicht muss überlegt werden, ob und wie der Bund Unterstützung leisten kann.

© SZ vom 11.7.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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