KanzlerkandidaturSozialdemokraten zweifeln an Scholz

Lesezeit: 3 Min.

Wer soll es machen? Die Parteispitze sagt: Olaf Scholz, doch die Unterstützung für Boris Pistorius wächst.
Wer soll es machen? Die Parteispitze sagt: Olaf Scholz, doch die Unterstützung für Boris Pistorius wächst. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

In der SPD wächst täglich die Skepsis, ob eine erneute Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz richtig ist – bei Abgeordneten, an der Basis und bei Franz Müntefering. Manche fordern eine rasche Entscheidung und sehen eine Alternative.

Von Georg Ismar, Berlin

In der SPD wächst der Widerstand gegen eine erneute Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. Sowohl an der Parteibasis als auch in der Bundestagsfraktion mehren sich die Stimmen, dass es nach dem Scheitern der Ampelkoalition und den zuletzt teils katastrophalen Umfragewerten für Scholz eine Neuaufstellung brauche. „Es ist meine klare Meinung, dass wir mit Boris Pistorius in den Wahlkampf ziehen sollten“, sagte der Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten der Süddeutschen Zeitung. „Er hat die Tatkraft, die Nähe zu den Menschen und die Fähigkeit, auch in klarem Deutsch zu sagen, was zu tun ist. Und das braucht unser Land jetzt.“

Weingarten ist der erste Bundestagsabgeordnete, der das öffentlich so klar fordert. Er rief die Parteiführung dazu auf, zeitnah mit Scholz eine Lösung zu finden, da die SPD am 30. November zur sogenannten Wahlsieg-Konferenz zusammenkommt. Dort soll die Kampagne für die Neuwahl des Bundestags am 23. Februar vorgestellt und die Partei auf die Unterstützung des Kanzlerkandidaten eingestimmt werden. Bei einem Sonderparteitag am 11. Januar 2025 soll dann die offizielle Kür erfolgen.

Regierungskrise
:Operation „D-Day“: FDP-Spitze plante wochenlang den Bruch der Ampelkoalition

Bei einem Treffen Ende September in Potsdam begannen im Führungszirkel der Partei Überlegungen für das Ende des Bündnisses mit SPD und Grünen. Dabei kam es zu heftigen internen Kontroversen.

SZ PlusVon Wolfgang Krach, Georg Mascolo, Nicolas Richter, Henrike Roßbach

Abgeordnete berichteten, es sei seltsam, bei der Konferenz am 30. November Scholz zuzujubeln, wenn viele nicht mehr überzeugt seien. „Es muss jetzt etwas passieren, das kann keine 14 Tage mehr dauern“, sagte Weingarten. Der Rheinland-Pfälzer gehört in der SPD-Bundestagsfraktion dem konservativen Seeheimer Kreis an, der bisher als einer der wichtigsten Unterstützer einer erneuten Kandidatur von Scholz gilt.

Ehemaliger Parteichef vermeidet Bekenntnis

Wie der Spiegel berichtet, hatte Weingarten intern zuvor bei einer Seeheimer-Besprechung deutlich gemacht, dass Scholz bei vielen Leuten „unten durch“ sei. Auch der frühere Parteivorsitzende Franz Müntefering, dessen Stimme noch viel Gewicht hat, vermied ein Bekenntnis zu Scholz. Eine Kanzlerkandidatur sei kein Spiel, „das ein Vorrecht auf Wiederwahl umfasst“, sagte er dem Tagesspiegel. „Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich“, so der 84-Jährige. Angesichts der zeitlichen Enge für alle Fristen und den Wahlkampf sei rasches Handeln nötig. „Die SPD kann zeigen, dass Demokratie alles kann.“ Der SZ hatte er zuvor bereits gesagt, es sei besser, wenn die ganze Partei hinter einem Kandidaten stehe, als wenn sich „da einer selbst erklärt“.

Scholz selbst antwortete vor dem Abflug zum G-20-Gipfel auf die Frage, ob er trotz der Widerstände auf jeden Fall an der Kandidatur festhalten wolle: „Die SPD und ich, wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen, übrigens mit dem Ziel zu gewinnen“.

Die Süddeutsche Zeitung hat mit etwa einem Dutzend Abgeordneten und Basisvertretern gesprochen, die hingegen die Zweifel an der erneuten Kandidatur teilen, aber das noch nicht öffentlich sagen wollen. Aber es gibt auch weiterhin viele Unterstützer des Kanzlers: Es werde viel zu wenig gesehen, was Scholz in Zeiten großer Krisen geleistet habe, hieß es. Ein Abgeordneter betonte jedoch, „mindestens jeder Zweite“ in der Fraktion glaube nicht mehr an einen Erfolg mit Scholz. Im Fall des Falles, so wird stets betont, müsse Scholz ein gesichtswahrender Ausweg ermöglicht werden.

Mancher Genosse will nicht mehr für Scholz plakatieren

Von der Basis, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, wird berichtet, SPD-Mitglieder hätten angekündigt, für einen Kanzlerkandidaten Scholz keine Plakate mehr aufhängen zu wollen. Überall wird zudem von Gesprächen berichtet, dass enttäuschte SPD-Wähler bei einem Wechsel zu Boris Pistorius doch wieder ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten machen würden. In einer Forsa-Umfrage vom 12. November liegt die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz bei 33 Prozent, die SPD bei 16 Prozent.

Von einem Unterbezirksvorsitzenden hieß es, der ganze Zeitplan sei nun schwierig, da Scholz erst am 16. Dezember die Vertrauensfrage im Bundestag stellen will, um den Weg zur Neuwahl frei zu machen.

Er hätte das mit einer Abschiedsankündigung verbinden können, aber in der SPD wird inzwischen eine Entscheidung in der K-Frage in den nächsten Tagen für notwendig erachtet. Bei der Wahl 2021 war die Geschlossenheit ein Erfolgsgarant der Partei, aber genau diese stehe nun auf dem Spiel, wenn die Parteiführung um die Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken die Kandidatur mit Scholz durchziehen wolle, hieß es. Inmitten dieser parteiinternen Kontroverse wird Scholz in den nächsten Tagen wegen seiner Reise zum G-20-Gipfel in Brasilien nicht in Berlin anwesend sein.

Verteidigungsminister Pistorius hat bisher immer betont, Scholz sei der designierte Kanzlerkandidat. In der Partei wird betont, eine Gegenkandidatur sei ausgeschlossen, vorher müsse Scholz von sich aus verzichten. Pistorius kandidiert in Hannover erstmals für den Bundestag. SPD-Chef Lars Klingbeil versuchte am Wochenende, die Debatte zu stoppen. „Olaf Scholz ist der Kanzler. Und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen“, sagte Klingbeil bei einer Veranstaltung in Essen. Für die SPD sei es nun wichtig, „dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen mit dem Bundestagswahlkampf, aber nicht über Personal diskutieren“.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kanzler-Interview
:„Ich bin mit mir im Reinen“

Olaf Scholz über seine Fehler in der Koalition, seine Zuversicht, die Wahl gewinnen zu können, und seine Absicht, danach alsbald die Schuldenbremse zu lockern.

SZ PlusInterview von Daniel Brössler und Nicolas Richter; Fotos: Friedrich Bungert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: