Jusos: "Den Schwung, den sollten wir jetzt nicht verlieren"

Bundeskongress der Jusos

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz spricht beim Bundeskongress der Jusos.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Rebellischer Parteinachwuchs? Von wegen. Als Olaf Scholz beim Bundeskongress der Jusos vorbeischaut, geben sich die Jungsozialisten ziemlich brav.

Von Mike Szymanski, Frankfurt

Rebellische Jusos? War gestern. Als Olaf Scholz, wahrscheinlich nächster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, am Samstag den Bundeskongress der Jusos besucht, gibt sich der Parteinachwuchs zur Begrüßung brav wie selten. In Erinnerung bleiben wird eine Aufforderung aus dem Tagungspräsidium an die Delegierten, gerade rechtzeitig vor Scholz' Ankunft an der Frankfurter Tagungshalle: "Es ist wichtig, dass ihr alle schön auf Euren Plätzen sitzt, wenn Olaf kommt."

Und das tun sie auch, als Scholz kurz vor 11 Uhr eintrifft. Der 63-Jährige ist früher dran als vorgesehen. Es bekommt anfangs kaum jemand mit, als Scholz die Halle an der Seite von Juso-Chefin Jessica Rosenthal betritt. Und dann brandet auch schon Applaus auf. "Das ist ein Empfang auf dem Juso-Kongress, wie man ihn sich vorstellt", sagt Jessica Rosenthal wenig später auf der Bühne. Scholz steht an ihrer Seite.

Ein Auftritt wie man ihn sich vorstellt?

Gut möglich, dass Scholz da ganz andere Vorstellungen im Kopf hat, wenn er an die Jusos denkt. Als Scholz an der Seite der früheren SPD-Chefin Andrea Nahles die Partei in die große Koalition führte, kämpfte Kevin Kühnert, der Vorgänger von Jessica Rosenthal an der Juso-Spitze auf der Seite der Groko-Gegner. Als Scholz 2019 Parteichef werden wollte, brachte Kühnert seine Jusos gegen Scholz in Stellung, um ihn als Vorsitzenden zu verhindern. Für die Zeit des Wahlkampfes hatten sie einen Burgfrieden geschlossen.

Und heute? Spricht Rosenthal vom "Teamwork", das die SPD nun bald bis ins Kanzleramt geführt hat. Von Scholz will sie wissen, wie er sich das künftige "Zusammenwirken" vorstellt. "Ich stelle mir vor, dass ihr oft begeistert seid über das Regierungshandeln." Da schmunzelt Scholz, da lachen einige der Delegierten im Saal.

"Die anderen haben nur ganz selten mit uns gesprochen"

Scholz war auch mal Juso. Von 1982 bis 1988 war er Bundes-Vize beim Nachwuchs. Mit dem, woran er damals glaubte, würde er Kühnert heute sogar locker links überholen. Aber das ist lange her. Außerdem hatte er mit seiner Juso-Vergangenheit gebrochen: "Ich habe mich entgiftet, die Praxis wurde für mich wichtiger als die Rituale einer politischen Organisation", erzählte er mal dem Spiegel über den Schnitt, den er damals machte. Das könnte er jetzt wiederholen, als Rosenthal ihn fragt, was er bei den Jusos gelernt hat. Aber er sagt: "Es ist immer wichtig, dass man auch mit dem Herzen dabei ist." Er erzählt dann noch, dass die Jusos zu seinen Zeiten schon froh waren, wenn der Bundesgeschäftsführer sich bei ihren Treffen blicken ließ. "Die anderen haben nur ganz selten mit uns gesprochen."

Scholz kommt an den Jusos heute nicht mehr vorbei. Kevin Kühnert ist zum Parteivize aufgestiegen. In der Bundestagsfraktion der SPD sind 49 der 206 Parlamentarier im Juso-Alter. Unter Kühnert sind die Jusos ein Machtfaktor geworden. Seine Nachfolgerin Rosenthal sagt: "Wir haben jetzt so viele Machtmittel in der Hand wie nie zuvor."

Im Wahlprogramm nahm die SPD-Spitze Forderungen der Jusos wie etwa nach einer Ausbildungsplatzgarantie, einer Bafög-Reform und einer Modernisierung in der Gesellschaftspolitik auf. Vieles davon findet sich im Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP wieder. Aber bei den Jusos gilt auch: Das Erreichte genügt nie. Das bekommt auch Olaf Scholz zu spüren, als die Jusos in Frankfurt nun zu Wort kommen. "Diskussion mit Olaf Scholz" heißt der Programmpunkt.

Der erste Redner beklagt, dass die Verabredungen im Koalitionsvertrag zum Bürgergeld, das Hartz-IV ablösen soll, zu vage blieben. Scholz möge bitte hier und jetzt klarstellen, dass dann auch die Regelsätze angehoben würden. Das macht er später aber nicht.

Ein anderer beschwert sich, dass die Ampelpartner eine "Rückführungsoffensive" für jene planten, die kein Recht hätten, in Deutschland zu bleiben. Das sei ein "knallharter Rückschritt". Und was, bitteschön, sei aus dem Mietenmoratorium geworden, fragt jemand. Anderseits sagt Lara Herter, Juso-Funktionärin aus Baden-Württemberg: "Wie geil ist das eigentlich, dass wir bald aus der Groko raus sind." Niemand kommt auf die Idee, dass dieses Bündnis nicht gehe. Das ist auch schon mal was.

Scholz darf noch mal auf die Bühne, um zu antworten. Er will, dass das Große gesehen wird, nicht nur das Gedruckte im Vertrag. Als er Juso war, da kannte er nur Helmut Kohl als Regierungschef. Die Leute im Publikum heute kannten zumeist nur Merkel als Regierungschefin. Aber das ändere sich nun. "Den Schwung, den sollten wir jetzt nicht verlieren", sagt Scholz.

Anderthalb Stunden Zeit nimmt er sich für die Jusos. Zum Abschied überreicht Jessica Rosenthal ihm eine große, rote Juso-Fahne. Fürs Kanzleramt. Und Scholz bekommt ein Büchlein, das "Schweriner Manifest", wie sie sagt: "Das sind unsere großen Linien". Scholz blättert es durch wie ein Daumenkino und steckt es weg. Er muss jetzt los, wieder regieren.

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