Inflation:Gewerkschaften pochen auf dauerhafte Lohnerhöhung

Inflation: Die steigenden Preise machen immer mehr Menschen zu schaffen. Vor allem für Energie und Lebensmittel muss deutlich mehr bezahlt werden.

Die steigenden Preise machen immer mehr Menschen zu schaffen. Vor allem für Energie und Lebensmittel muss deutlich mehr bezahlt werden.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Verdi und IG Metall lehnen den Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz ab, die steigenden Preise durch Einmalzahlungen abzufedern.

Von Roland Preuß, Berlin

Der Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die hohe Inflation in Deutschland durch Einmalzahlungen statt durch hohe Tariflohnsteigerungen abzufedern, ruft bei den Gewerkschaften Widerspruch hervor. "Einmalzahlungen bringen uns da nicht weiter", sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke am Montag dem Bayrischen Rundfunk. Es sei ureigenste Aufgabe der Tarifparteien, dass dauerhaft steigende Preise auch zu dauerhaft wirksamen Tariflohnsteigerungen führten. "Und ich sehe auch nicht, dass die Politik uns das abnehmen kann."

Thorben Albrecht, Leiter der Politik bei der IG Metall, schrieb auf Twitter, es sei nicht gut, "wenn das Kanzleramt sich in Tarifverhandlungen einmischt". Einmalzahlungen würden nicht helfen, die Inflation auszugleichen. Eine Umfrage der IG Metall in den Betrieben habe deutlich gezeigt, dass die Beschäftigten dauerhaft mehr Geld durch Tarifabschlüsse verlangten, schrieb Albrecht. Die IG Metall will in der anstehenden Tarifrunde für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie Lohnerhöhungen zwischen sieben und acht Prozent durchsetzen.

Ähnlich äußerte sich auch die Gewerkschaft der Polizei. "Das ist keine nachhaltige Hilfe. Das Leben wird auch in den kommenden Monaten teurer", sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende René Klemmer in Mainz. Notwendig seien vielmehr dauerhafte Lohnerhöhungen, die sich später auch auf das Rentenniveau auswirkten.

Scholz hatte als Ausgleich für stark steigende Preise die Möglichkeit einer steuerfreien Einmalzahlung durch die Arbeitgeber vorgeschlagen. Im Gegenzug sollen die Gewerkschaften bei Tarifrunden auf einen Teil der Lohnsteigerungen verzichten, um die Inflation nicht weiter anzuheizen. Entsprechende Pläne, über die Bild am Sonntag berichtet hatte, waren der dpa aus Regierungskreisen bestätigt worden. Ein Regierungssprecher wollte die Berichte am Montag nicht kommentieren.

Finanzminister Lindner reagiert zurückhaltend auf den Vorschlag des Kanzlers

Verdi-Chef Werneke verwies auf die Tarifverhandlungen seiner Gewerkschaft beispielsweise für die Häfen, die Lufthansa oder den öffentlichen Dienst. Die gestiegenen Preise müssten durch eine prozentuale Steigerung ausgeglichen werden, sagte er. Eine Möglichkeit seien auch Sockelbeträge. Diese seien aber keine Einmalzahlungen, sondern würden als monatliche Zahlung tarifwirksam; das heißt, sie bewirken eine dauerhafte Steigerung des Lohns um einen festen Betrag.

Scholz' liberaler Koalitionspartner äußerte sich zurückhaltend. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schrieb auf Twitter: "Einmalzahlungen können sinnvoll sein." Er prüfe steuerliche Maßnahmen an dem Punkt und bei der kalten Progression, schrieb der Bundesfinanzminister. "Aber wo Unternehmen hohe Gewinne machen, ist eine Subventionierung der Arbeitgeber nicht angezeigt." Eine Ausdehnung des Corona-Bonus auf die ganze Wirtschaft wäre "kaum finanzierbar".

Für kommenden Montag hat Kanzler Scholz Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Vertreter der Bundesbank zu einem Treffen eingeladen, um über ein koordiniertes Vorgehen gegen die hohe Inflation zu sprechen. Erklärtes Ziel der "konzertierten Aktion" ist, die Arbeitnehmer zu entlasten, aber auch die Preissteigerung zu dämpfen. Fachleute befürchten, dass die Gewerkschaften den Kaufkraftverlust durch hohe Tarifabschlüsse ausgleichen wollen, was wiederum durch höhere Lohnkosten den Anstieg der Preise verstärken könnte.

Scholz betont, dass man bei dem Treffen keine Tarifverhandlungen führen wolle, allerdings hat er ausdrücklich die jüngsten Vereinbarungen in der Chemieindustrie von Anfang April gelobt. Diese sehen angesichts der großen wirtschaftlichen Unsicherheit als Zwischenlösung eine Einmalzahlung von 1400 Euro je Beschäftigten vor, um die Preissteigerungen vorerst abzufedern. Für Unternehmen in Schwierigkeiten gibt es Ausnahmen. Über eine dauerhafte Lohnerhöhung soll in der Branche erst wieder im Oktober verhandelt werden. Die Preissteigerung lag zuletzt im Mai bei 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

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