Süddeutsche Zeitung

Regierungserklärung des Bundeskanzlers:Kein Wort zum Verbrenner-Aus der EU

Das kritischste Thema umschifft der Kanzler in seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel kommende Woche. Scholz spricht eine Reihe von Projekten an, ohne konkret zu werden - und wiederholt ansonsten Sätze, die schon häufig vorkamen in seinen Reden.

Von Jonas Junack und Philipp Saul

Eine Woche bevor er im Rahmen des Europäischen Rates mit den Staats- und Regierungschefs der anderen EU-Staaten zusammentreffen wird, hat Olaf Scholz eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Chancen des Umbruchs: Angesichts von Krieg und Klimakrise steht in Scholz' Rede die Europäische Union im Vordergrund. Es gehe um Frieden in Freiheit, sagt der Kanzler, "um Demokratie, um Sicherheit, um Wohlstand, um gute Lebenschancen und gute Arbeit in einer klimaneutralen Zukunft". Scholz ruft dazu auf, nicht der vermeintlich "guten alten Zeit" nachzutrauern, sondern schwört die Menschen auf das Ziel ein, eine "gute neue Zeit" zu erreichen: "Ja, es ist möglich!" Man werde "den großen Umbruch hinbekommen, der vor uns liegt", sagt der Kanzler vor den Abgeordneten. "Und dieser große Umbruch wird gut ausgehen - für uns hier in Deutschland und für Europa insgesamt." Und weil von der rechten Ecke des Parlaments Zwischenrufe kommen, ergänzt Scholz: "Und schlecht für die AfD, weil das Geschäftsfeld weg ist."

Wirtschaftliche Stärke der EU: Eine gute Wettbewerbsfähigkeit sei "die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg" und "für Europas Zukunft als geopolitischer Akteur", sagt der Kanzler. Auch wenn Deutschland führend sein solle, so funktioniere der Binnenmarkt nur gemeinsam, Europa müsse "insgesamt stark" sein - Punkte, die vermutlich fast jeder Politiker in Brüssel und in den Hauptstädten der EU unterschreiben würde. Um die EU auf Dauer wettbewerbsfähig zu machen, zählt Scholz eine Reihe von Reformprojekten auf, ohne wirklich konkret zu werden. Auf dem EU-Gipfel werde man sich etwa über Vorschläge der EU-Kommission zur Lockerung der Beihilferegeln in der EU sowie die Beschleunigung von Planungen und Genehmigungen unterhalten. "Und natürlich braucht eine wettbewerbsfähige Europäische Union die Vollendung der Kapitalmarkt- und der Bankenunion", betonte er.

Scholz mahnt zudem in der Debatte über eine Reform des Stabilitätspaktes an, dass Wettbewerbsfähigkeit nur mit stabilen nationalen Haushalten zu erreichen sei. Im Stabilitätspakt ist festgelegt, dass die EU-Staaten in wirtschaftlich normalen Zeiten einen weitgehend ausgeglichen Haushalt vorlegen sollen und die Neuverschuldung strikt begrenzen. Seit drei Jahren kann jedoch von wirtschaftlich normalen Zeiten keine Rede sein.

Energie: Im Europäischen Rat werde man auch über das Thema Energie diskutieren, so Scholz. Positiv sei, dass die Gaspreise mittlerweile unter Vorkriegsniveau lägen. Nun komme es jedoch darauf an, in Europa selbst eine "starke neue Energieinfrastruktur aufzubauen". Scholz lobt bereits existierende Energielieferungen aus den europäischen Nachbarländern. Ein wichtiges Element sei die Reform des europäischen Strommarktdesigns, über die die Energieminister der EU nun beraten.

Verbrenner-Verbot in der EU: Aus anderen EU-Staaten hatte es zuletzt Missmut über Deutschland gegeben, weil die Regierung in Berlin, konkret Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), plötzlich Widerstand leistet gegen eine Einigung zum Aus von Verbrennungsmotoren in Neuwagen von 2035 an, die eigentlich längst beschlossen war. In seiner Regierungserklärung verliert der Kanzler kein Wort über diesen Konflikt. In Brüssel wird er dann wohl nicht drum herum kommen, sich zu positionieren. Für den Kanzler ist es ein Balanceakt zwischen den Interessen seiner EU-Partner und denen seines Koalitionspartners. Die FDP verlangt, dass es auch nach 2035 die Möglichkeit gibt, Verbrennungsmotoren zu bauen, die mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels betankt werden.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz wirft der Bundesregierung im Anschluss an Scholz' Rede vor, in Brüssel als Bremser aufzutreten. FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigt das Verhalten der Bundesregierung in der Verbrenner-Frage. "Die Tatsache, dass wir jetzt Debatten in Europa führen, auch über deutsche Positionen, ist dieser Bundesregierung zu verdanken", sagt Dürr.

Krieg in der Ukraine: In Brüssel werde es außerdem um den russischen Angriffskrieg gehen, sagt der Bundeskanzler. Man werde die Ukraine unterstützen, solange es notwendig ist - ein Satz, den der Kanzler in den vergangenen Monaten in jeder seiner Reden sagt. Zusammen mit den EU-Partnern werde man dafür sorgen, dass die Ukraine mit Munition versorgt werde. Im Europäischen Rat werde außerdem besprochen, wie ein "bessere, kontinuierliche Versorgung" erreicht werden könne, sagt Scholz.

Unionsfraktionschef Merz bemängelt die deutsche Unterstützungsleistung für die Ukraine. "Gemessen an der Wirtschaftsleistung haben eine ganze Reihe von Ländern auch und gerade in Europa deutlich mehr geleistet als wir", sagt er.

Migration: Angesichts des Krieges und der hohen Zahl an Geflüchteten, die in Deutschland Schutz suchen, spricht Scholz einen Dank aus. Deutschland leiste "seit mehr als einem Jahr Großartiges - besonders die Städte, Landkreise und Gemeinden." Aber auch "unzählige Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Initiativen." Zuletzt hatten sich die Kommunen darüber beklagt, dass sie bei der Unterbringung der Geflüchteten an organisatorische und finanzielle Grenzen gelangen. Der Kanzler weist aber auch darauf hin, dass jeder, der kein Aufenthaltsrecht besitze, "zügig in sein Heimatland zurückkehren muss." Hier gebe es noch Nachholbedarf, sich besser mit den Herkunftsländern abzusprechen. Daher habe die Bundesregierung einen Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen eingesetzt. Da Deutschland einen Mangel an Arbeitskräften habe, müsse man Menschen über legale Migrationswege ins Land holen. Dafür seien neue Regelungen in den Bereichen der Staatsbürgerschaft und Fachkräfteeinwanderung nötig.

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