Scholz im Bundesrat:Knallbunte Republik

Scholz im Bundesrat: Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rede vor dem Bundesrat.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rede vor dem Bundesrat.

(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Die Ampelkoalition braucht die Länder, um ihre Reformen umzusetzen. Dafür werden Kompromisse nötig sein, denn noch nie gab es so viele verschiedene Landesregierungen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Als Olaf Scholz seine Rede beendet hat, brandet Beifall auf. Nicht zu lange, aber deutlich. Er setzt sich seine schwarze Maske auf und geht zu seinem Platz. Möchte jemand das Wort an den Bundeskanzler richten? Der Vorsitzende des Bundesrats, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken, sieht sich um. Niemand begehrt das Wort. Und so wendet Ramelow sich wieder dem Bundeskanzler zu. Er sei, im Namen seiner Kolleginnen und Kollegen, begeistert, "mit welcher Leidenschaft Sie das Plädoyer vorgetragen haben für den Föderalismus".

Es ist Freitagvormittag, der Bundeskanzler hat gerade seinen Antrittsbesuch im Bundesrat gemacht.

Scholz kennt das Terrain. Die Länderkammer, das Gremium der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidenten, ist ihm vertraut. Er hat selbst als Erster Bürgermeister von Hamburg jahrelang im Bundesrat die Interessen der Hansestadt vertreten und gelegentlich - wie beim Bund-Länder-Finanzausgleich - durchgesetzt.

Der Unterschied ist, dass er nun auf der Seite des Bundes steht. Und so tut Olaf Scholz an diesem Freitagmorgen das, was er wohl selbst als "das Notwendige" bezeichnen würde. Er umarmt das Gremium mit schönen Worten. Dieser Besuch sei "eine Art Heimkehr", als Bürgermeister habe er sich "hier im Bundesrat immer am richtigen Ort gefühlt". Er dankt den Länderchefs dafür, dass sie geholfen haben in den Jahren der Pandemie, "die vielen und häufig sehr eiligen Gesetzgebungsverfahren" zu bewältigen, "ich danke daher Ihnen allen, die immer wieder dafür sorgen, dass alles reibungslos funktioniert".

Die Ampelkoalition hat viel vor - ohne die Länder geht nichts

Das ist natürlich ein bisschen dicke aufgetragen. Waren es nicht einige Länderchefs, insbesondere aus dem Süden, die in den Jahren der Pandemie recht häufig mit recht unterschiedlichen Vorschlägen vorgeprescht waren, sogar nach gerade ausgehandelten Beschlüssen? Und hat nicht gerade Bayern die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gestoppt? Der Bundeskanzler redet darüber hinweg, er muss ja auch nach vorne schauen.

Die Ampelkoalition hat viel vor - ohne die Länder geht nichts. Hochverschuldeten Kommunen die Altschulden erlassen? Klappt nur, wenn betroffene Länder mit zahlen - und es eine Mehrheit gibt, um das Grundgesetz zu ändern. Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, der schnelle Ausbau der Netze, die verkürzten Planungsverfahren - Scholz braucht die Länderkammer.

Und deshalb redet Scholz dem Föderalismus das Wort, nicht ohne darauf hinzuweisen, wie schwer die Kompromissfindung künftig werden wird, weil die politischen wie gesellschaftlichen Verhältnisse sich geändert haben. Die großen Volksparteien sind geschrumpft, kleinere Parteien gewachsen. Deutschland ist zu einer bunten Republik geworden, jedenfalls wenn man sich die Farbpalette der föderalen Landesregierungen anschaut.

Als Amtsvorgängerin Angela Merkel im Jahr 2005 ihre erste Rede als Bundeskanzlerin in der Länderkammer gehalten habe, sagt Scholz, "gab es in den 16 Ländern sechs verschiedene Regierungskonstellationen". Damals regierte in fünf der 16 Bundesländer noch jeweils eine Partei allein, also CDU, CSU oder SPD. Und in den elf anderen Ländern genügten Zweierbündnisse. Und heute? Werden die Bundesländer in 15 verschiedenen Koalitionsvarianten regiert. In der Hälfte braucht es drei Parteien für ein mehrheitsfähiges Bündnis. Man hat sich daran gewöhnt, dass hinter Begriffen wie R2G, Ampel oder Jamaika Regierungskoalitionen stecken können. Noch nie war die föderale Vielfalt so bunt wie heute.

Länderkammer-Chef Ramelow weist am Ende darauf hin, dass selbst für Scholz etwas neu gewesen sei an diesem Freitag. Das erste Mal habe er im Bundesrat Applaus bekommen. "Wir sind gerne bereit, Ihre ausgestreckte Hand zu ergreifen."

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