Süddeutsche Zeitung

Bundeskanzler:Olaf Scholz gibt den Macher

Beim Treffen mit den Arbeitgebern tritt der Bundeskanzler selbst auf wie ein Manager und umschifft kritische Themen. Den Unmut über die Bundesregierung kriegen andere ab.

Von Roland Preuß, Berlin

Die Welt, in die Rainer Dulger da tritt, ist hell und in roséfarbenes Licht getaucht. Der Arbeitgeber-Präsident ist eingerahmt von Bildschirmen und leuchtenden Stelen, die von sanften Rosatönen ins blasse Lila wechseln, sein Verband BDA hat zum deutschen Arbeitgebertag im früheren Flughafen Berlin-Tempelhof eine Kulisse aufgebaut, so heimelig wie ein Yoga-Studio. Und so klingt der Arbeitgeberpräsident zum Auftakt auch.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der ersten Reihe überschüttet er mit Dankbarkeit, für die "enge Zusammenarbeit in den letzten Monaten", für "viele richtige Maßnahmen", dafür, dass er überhaupt gekommen ist. Als Dulger seine Rede auch noch mit einem Zitat von Willy Brandt beendet, steigt die Spannung, ob sich die zwei beim Wechsel auf der Bühne in die Arme fallen. Passiert natürlich nicht. Ein paar Streitpunkte bringt Dulger dann doch unter zwischen Danksagung und Brandt-Zitat, doch dazu später.

Was Deutschlands Unternehmerinnen und Unternehmer umtreibt, das haben sie in den vergangenen Tagen schon verdeutlicht in Erklärungen und Interviews. Die heftig gestiegenen Energiepreise gefährden viele Betriebe, auch andere Rohstoffe sind knapp, manchmal gar nicht zu bekommen. Hinzu kommen die hohe Inflation und ambitionierte Tarifforderungen von Gewerkschaften wie der IG Metall.

"Wir brauchen diese Zeitenwende auch in der Sozialpolitik", sagt Dulger

Der Arbeitgebertag ist traditionell der Platz, an dem die Wirtschaftsvertreter das Spitzenpersonal der Bundesregierung öffentlich mit ihren Forderungen konfrontieren. Mal mit mehr Angriffslust, mal mit weniger. Arbeitgeberpräsident Dulger sagt: "Lieber Herr Bundeskanzler, erlauben Sie mir, heute einen Wunsch äußern zu dürfen." Es scheint sich auszuzahlen, dass Olaf Scholz Arbeitgeber und Gewerkschaften einbindet in seine Krisenpolitik. Man redet regelmäßig, an diesem Donnerstag wieder bei der Konzertierten Aktion im Kanzleramt.

Etwas Klartext gibt es trotzdem: Jetzt Atomkraftwerke abzuschalten, sei so, als würde man auf der Titanic Rettungsboote über Bord werfen, sagt Dulger. Die Arbeitgeber unterstützten die Sanktionen gegen Russland und die von Scholz verkündete Zeitenwende in der Sicherheitspolitik. Aber: "Wir brauchen diese Zeitenwende auch in der Sozialpolitik", sagt Dulger. Konkret missfällt ihm das geplante Bürgergeld ("Brücke ins Sozialsystem"), die Midijobs, die Unternehmen mehr Sozialbeiträge aufbürden, überhaupt die hohen Sozialkosten.

Den zuständigen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben die Arbeitgeber eingeladen, aber er ist nicht gekommen. Schade, sagt Dulger, dass er "nicht die Zeit gefunden hat, mit der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen". Szenenapplaus. Heil ist heute der böse Bube hier.

Als Habeck spricht, spielt die Kulisse ins dunkle Lila

Als Olaf Scholz die Bühne betritt, leuchtet diese weiter wacker in Rosatönen. Und man erlebt hier einen anderen Olaf Scholz als noch vor drei Jahren. Da war Scholz noch Finanzminister und bewarb sich gerade um den SPD-Vorsitz. Den Arbeitgebern lieferte er damals auf ihrem Treffen die Ansage ab, dass es, anders als von ihnen erhofft, keine größeren Steuersenkungen für Unternehmen geben werde. Am Dienstag erleben die Wirtschaftsvertreter dagegen einen Kanzler, der den Schulterschluss sucht.

Die Unterstützung der Russlandsanktionen durch die Arbeitgeber? Ein dreifaches Dankeschön. Der Gasmangel, der die Existenz von Betrieben gefährdet? Im Januar werden die ersten Terminals für Flüssiggas an den norddeutschen Küsten in Betrieb gehen. Und zusätzliche Hilfe für Unternehmen, die das alles nicht alleine durchhalten? "Wir arbeiten mit Hochdruck daran", sagt Scholz, man werde die Fördermöglichkeiten ausweiten, damit "auch Bäckereien diese Zeit überstehen". Die Strompreisbremse "werden wir jetzt mit hohem Tempo durchsetzen". Olaf Scholz gibt vor den Arbeitgebern den Macher wie ein Manager. Zu den Forderungen nach weniger Sozialstaat und weniger Regulierung: kein Wort. Den Konflikt klammert Scholz aus.

So leicht wird wenig später Robert Habeck (Grüne) nicht davonkommen. Die Arbeitgeber haben einen erfahrenen Journalisten organisiert, der den Bundeswirtschaftsminister ausführlich zu den Atomkraftwerken befragt, die in Bereitschaft bleiben sollen. Die Kulisse spielt da schon ins dunkle Lila, zunächst herrscht kühle Stille. Der Beitrag der AKWs sei im Promillebereich, sagt Habeck - und versucht schnell die Kurve zu bekommen zu zusätzlichem Geld für energiepreisgeplagte Mittelständler, das Habeck an diesem Dienstag als Botschaft setzen will. Die Hilfe aber bleibt so unkonkret, dass selbst die Arbeitgebervertreter das Thema Atomkraft mehr bewegt, vor allem Habecks Weigerung, in längeren Laufzeiten die Lösung zu sehen. "Ich werde diesen Kurs weitermachen", sagt Habeck fast trotzig. Und erntet ausgerechnet dafür spontanen Applaus.

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