Offener Brief an den Bundestag:Prominente fordern Gleichsetzung der Homo-Ehe

Homo-Ehe

"Liebe ist das, was uns zum Menschen macht", heißt es in dem Offenen Brief der Prominenten. 

(Foto: dpa)

Bela B. von den Ärzten ist dabei, Schriftsteller Günter Grass und Schlagersänger Patrick Lindner: Sie und mehr als 30 weitere Künstler, Intellektuelle und andere Prominente fordern gleiche Rechte für die Homo-Ehe. "Stellt gleich, was gleich ist!", heißt es in ihrem Offenen Brief an den Bundestag.

Von Barbara Galaktionow

Die starre Front gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe bröckelt: Während die Oppositionsparteien sich schon lange dafür einsetzen, gibt es auch in der Union immer mehr Stimmen, die gleiche Rechte für so genannte eingetragene Lebenspartnerschaften fordern, zuletzt sogar Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Sachen Familiensplitting.

Alle Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in den vergangenen Jahren gefällt hat, weisen ohnehin darauf hin, dass der Weg zur rechtlichen Gleichstellung nicht mehr lang ist. Doch so lange wollten manche trotzdem nicht mehr warten.

Und jetzt mischen sich auch Prominente ein: "Stellt gleich, was gleich ist!" In einem Offenen Brief (den Brief lesen Sie auf Seite 2 dieses Artikels) an den Bundestag fordern knapp 40 Künstler, Intellektuelle und anderweitig Bekannte die "vollständige Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare". "Liebe ist das, was uns zum Menschen macht." Sie in zwei Klassen zu unterteilen sei alles, "nur nicht menschlich", heißt es in dem Schreiben. Die Unterzeichner fordern die Politiker in dem Schreiben auf, die Parteigrenzen endlich zu überwinden.

Bela B., Günter Grass, Martin Walser

Unterzeichnet haben den Aufruf unter anderem Musiker Bela B. von den Ärzten aber auch die Schriftsteller Günter Grass und Martin Walser, Schlagersänger Patrick Lindner und Verlegerin Angelika Taschen (eine vollständige Liste der Unterzeichner finden Sie auf Seite 2 dieses Artikels).

Initiator der Aktion ist der 26 Jahre alte Betriebswirtschafts-Student Martin Speer. Er hat den Offenen Brief an diesem Montag persönlich im Bundestag und im Kanzleramt abgeliefert, Sprengstoffprüfung inklusive, sagte das Grünen-Mitglied auf Anfrage von Süddeutsche.de. Etwa 1,5 bis zwei Monate warb er um Unterstützer für seine Aktion.

Was ihn antrieb? Dieser Gedanke: "Man muss doch als Bürger auch etwas bewegen können, ist nicht nur Opfer des Geschehens, sondern auch Gestalter." Sein Offener Brief operiert bewusst nicht mit dem rechtlichen Begriff der eingetragenen Lebenspartnerschaft, sondern zielt, wie Speer sagt, auf die "Universalität der Liebe". Ein Konzept, das offensichtlich auch viele andere überzeugte.

Stellt gleich, was gleich ist!

Offener Brief an die Mitglieder des Bundestages

Stellt gleich, was gleich ist!

Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages,

es gibt Momente in unserer Geschichte, da öffnet sich ein Tor der Vernunft und wir als Gesellschaft haben die Chance hindurchzutreten. Hinein in eine menschlichere Zukunft. Die Frage um die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist genau so ein besonderer Moment. Es ist eine Frage, die uns alle betrifft und die uns alle bewegt. Denn es geht um nichts Geringeres als den Kern unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses; unser Bild von Ehe, Familie - und Liebe. Die große gesellschaftliche Frage lautet:

Wollen wir, die Bürger dieser Republik, wirklich die Liebe zwischen zwei Menschen mit zweierlei Maß messen? Wir und drei Viertel der Bevölkerung sagen nein!

Denn Liebe kennt kein Geschlecht. Gleichgeschlechtliche Liebe ist Liebe wie jede andere auch. Sie kennt Freude, Trauer, Schmerz und Zuversicht. Sie wird unter Herzschlagen geboren, bleibt erhalten, kann aber auch unter Tränen vergehen. Sie ist Teil unserer menschlichen Natur, Teil der Schöpfung und so alt wie wir selbst. Und damit trägt sie auch etwas tief Menschliches in sich; den Willen zur Verantwortung. Für sich selbst und die Zukunft, unsere Kinder!

Die Zeit ist gekommen, dass wir den Irrglauben der Jahrhunderte hinter uns lassen und die Augen für die Realität öffnen. Frei von ideologischer Verblendung und der Angst vor dem Morgen. Denn Wahrheit ist: Liebe ist das, was uns zum Menschen macht. Sie in zwei Klassen zu unterteilen ist alles, nur nicht menschlich. Wenn zwei Menschen egal welchen Geschlechts sich füreinander entscheiden und Verantwortung für sich, die Gesellschaft und die geborene als auch ungeborene Zukunft übernehmen wollen, dann ist dies zutiefst schützenswert. Denn es ist jenes Band der Verantwortung, das unsere Gesellschaft im Kern zusammenhält. Familie und Ehe ist, wo Liebe wohnt!

Wir wenden uns mit diesem Brief an alle Mitglieder des Bundestages und treten für die vollständige Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wir appellieren:

Überwindet Parteigrenzen und stellt gleich, was gleich ist! Denn Liebe ist das, was uns zusammenhält.

Mit zukunftsgewandten Grüßen,

Die Unterzeichner

Liste der Unterzeichner

  • Bela B. (Musiker, Die Ärzte)
  • María Cecilia Barbetta (Schriftstellerin)
  • Georg Christoph Biller (Dirigent, Thomaskantor zu Leipzig)
  • Dr.-Ing. Detlev Buchholz (Präsident der Fachhochschule Frankfurt/Main)
  • Günter Grass (Schriftsteller, Liternaturnobelpreisträger)
  • Katharina Grosse (Künstlerin)
  • Wolfgang Gründinger (Demokratieforscher, Publizist)
  • Gudrun Gut (Künstlerin, DJ, Publizistin)
  • Vincent-Immanuel Herr (Historiker, Soziologe)
  • Jens-Daniel Herzog (Intendant Oper, Theater Dortmund)
  • Prof. Dr. Philipp Hübl (Juniorprofessor für theoretische Philosophie, Stuttgart)
  • Andrea Hanna Hünniger (Schriftstellerin)
  • Klaus Jetz (Geschäftsführer, LSVD)
  • Kilian Kerner (Designer)
  • Kenan Kolat (Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland)
  • Burkhard C. Kosminski (Intendant Schauspiel, Nationaltheater Mannheim)
  • Prof. Dr. Annette Kreutziger-Herr (Kultur- & Musikwissenschaftlerin, Autorin)
  • Patrick Lindner (Sänger)
  • Bernd Loebe (Intendant, Oper Frankfurt)
  • Prof. Dr. em. Hildegard Macha (Direktorin des Gender Zentrum Augsburg)
  • Tina Mendelsohn (Moderatorin Kulturzeit)
  • Wenzel Michalski (Direktor, Human Rights Watch, Berlin)
  • Gordon Müller-Eschenbach (Autor)
  • Prof. Martin Rennert (Präsident der Universität der Künste, Berlin)
  • Moritz Rinke (Dramatiker, Schriftsteller)
  • Dr. Martin Salm (Vorstandsvorsitzender, Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft")
  • Prof. Dr. Sabine Schmidke (Universitätsprofessorin, FU Berlin)
  • Renate Schmidt (Bundesministerin a.D.)
  • Dr. habil Elmar Schreiber (Präsident der Jade Hochschule)
  • Dietmar Schwarz (Intendant, Deutsche Oper Berlin)
  • Dr. Charlotte Seither (Komponistin)
  • Martin Speer (Initiator)
  • Prof. Dr.rer.nat. Dr.h.c. Josef Stockemer (Rektor Hochschule Bremerhaven)
  • Jasmin Tabatabai (Schauspielerin)
  • Dr. Angelika Taschen (Verlegerin)
  • Martin Walser (Schriftsteller)
  • Dr. Roger Willemsen (Publizist, Fernsehmoderator)

In einer vorherigen Fassung dieses Artikels stand der Schauspieler und Produzent Til Schweiger noch auf der Liste der Unterstützer. Dessen Name wurde nach einem Anruf des Initiators Martin Speer wieder entfernt. Speer wies darauf hin, dass es sich bei der Süddeutsche.de vorliegenden Liste um eine veraltete Version gehandelt habe.

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