Özil und Gündoğan:"Ich glaube, es ist eine Lehre für sie"

Mesut Özil bei einem Fototermin mit Recep Tayyip Erdogan

Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, hält zusammen mit Fußballspieler Mesut Özil dessen Trikot.

(Foto: Presdential Press Service/dpa)
  • Die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und İlkay Gündoğan haben sich mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan getroffen, und sich öffentlichkeitswirksam mit ihm fotografieren lassen.
  • Aus Politik und Sport gibt es viel Kritik an dem Treffen.
  • Ein Überblick über die Reaktionen.

Mesut Özils und İlkay Gündoğans Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan am Sonntag hat zwar im Hinblick auf die WM-Teilnahme der beiden Nationalspieler keine Folgen, schlägt aber dennoch hohe Wellen. Von Bundestrainer über DFB-Präsident bis hin zur Bundeskanzlerin äußerte sich fast alles, was Rang und Namen hat, zu dem Fall.

Joachim Löw, der mit Özil und Gündoğan gemeinsam in Russland den WM-Titel verteidigen will, verpasste den beiden bei der Vorstellung des voräufigen Kaders einen Rüffel: "Wenn man für Deutschland spielt, dann vertritt man das Land und die deutschen Werte", sagte der Bundestrainer. "Ich glaube, es ist eine Lehre für sie, sie werden darüber nachdenken." Das Thema werde auch im Trainingslager in der kommenden Woche behandelt. Özil und Gündoğan hätten zu verstehen gegeben, "dass sie eigentlich keine politische Botschaft senden wollten", so der Bundestrainer. Sie hätten "auch sehr bedauert, dass es zu solchen Irritationen geführt hat".

Löw sagte mit Blick auf den türkischen Hintergrund der Spieler: "Ein bisschen Verständnis zeige ich." Er wisse bei Menschen mit Migrationshintergrund, dass "in deren Brust auch manchmal zwei Herzen schlagen". Es sei "nicht immer ganz so einfach, das unter einen Hut zu bringen". Beide Spieler hätten aber für die Integration in Deutschland "auch sehr viel getan". Daran, sie wegen des Vorfalls nicht mit zur WM nach Russland zu nehmen, habe er "in keiner Sekunde" gedacht, sagte Löw.

Türkischer Verband kritisiert DFB

Beim selben Termin gab auch DFB-Präsident Reinhard Grindel seine Meinung zum Besten: "Menschen können Fehler machen, und wir müssen das Maß wahren. Ich glaube, dass beide wissen, dass sie einen Fehler gemacht haben", sagte er. "Einiges, was wir in digitalen Medien lesen, scheint mir übertrieben", sagte Grindel. Tags zuvor hatte er den Spielern vorgeworfen, sich von Erdoğan für Wahlkampfzwecke missbrauchen zu lassen. Er hatte außerdem mitgeteilt, der Fußball und der DFB stünden für Werte, "die von Herrn Erdoğan nicht hinreichend beachtet werden".

Der Präsident des türkischen Fußballverbands, Yıldırım Demirören, bezeichnete die Kritik aus Deutschland an dem Treffen als "beleidigend". Demirören erklärte, er habe Grindels Äußerungen "mit großer Betrübnis" zur Kenntnis genommen. Erdoğan sei "leidenschaftlicher Fußballfan" und habe viel für den Sport in der Türkei getan. Es sei deshalb "total normal", wenn er Fußballer türkischer Herkunft treffe, die in Deutschland geboren worden seien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich über ihren Sprecher kritisch zu dem Treffen der beiden Nationalspieler mit dem türkischen Präsidenten geäußert. Es sei eine Situation gewesen, "die Fragen aufwarf und zu Missverständnissen einlud", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Als Nationalspieler hätten die beiden eine Vorbildfunktion. Seibert begrüßte, dass die beiden Fußballer sich inzwischen zu dem Vorfall erklärt hätten. Er sei sicher, dass der DFB das Thema noch einmal ansprechen werde.

Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth verteidigte Özil und Gündoğan: "So falsch ich die Fotos finde: Wir sollten nicht höhere Ansprüche an zwei Fußballer stellen als an unsere Regierung", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Waffenlieferungen an Ankara oder Treffen mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hätten "gravierendere Folgen als eine unbeholfene Trikotübergabe".

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), warf den beiden Fußballern hingegen in der Passauer Neuen Presse eine "schiefe Verbeugung vor Herrn Erdoğan" vor. Diese sei "das Gegenteil" der DFB-Kampagne "Wir sind Vielfalt", die für mehr Toleranz und Respekt werbe.

Ähnlich kritisch äußerte sich der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir: "Der Bundespräsident eines deutschen Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, und das Parlament heißt Deutscher Bundestag."

Der FDP-Politiker Oliver Luksic legte den Spielern den Rückzug aus der Nationalmannschaft nahe. "Für wen Erdoğan und nicht Steinmeier der Präsident ist, sollte nicht für die Nationalmannschaft spielen", sagte er dem Handelsblatt.

Die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen sprach von einem "groben Foul von Özil und Gündoğan". Beide hätten in Deutschland eine Vorbildfunktion.

Die CSU twitterte: "Wer das Trikot der Nationalmannschaft trägt, sollte sich zu den Werten unseres Landes bekennen und nicht Wahlkampf für Despoten machen, die die Pressefreiheit und Menschenrechte einschränken."

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nutzte Özils und Gündoğans Treffen zur Forderung, die beiden Stars "zu Hause zu lassen". Der AfD-Abgeordnete Sebastian Münzenmaier fragte an die Spieler gerichtet: "Wenn Erdoğan 'euer' Präsident ist, wieso spielt ihr dann für 'unser' Land?"

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) will den Ball flach halten: "Jeder Kommentar ist zusätzlich Öffentlichkeitsarbeit für Erdoğan", meint der Vorsitzende Gökay Sofuoğlu. "Bashing-Attacken gegen die Fußballer, die sich für die deutsche Nationalmannschaft verdient gemacht haben, finde ich fehl am Platz." Die Kurdische Gemeinde verurteilt den "sorglosen Umgang" der Nationalspieler. Und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände moniert: "Özil und Gündoğan haben unserer Integrationsarbeit der letzten Jahrzehnte einen schweren Schaden zugefügt."

Gündoğan selber bemühte sich noch am Montag darum, die Wogen zu glätten. In einem von der Bild-Zeitung veröffentlichten Statement sagte er: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Fußball ist unser Leben und nicht die Politik."

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