Süddeutsche Zeitung

Özdemir will Parteichef werden:Die Grünen kämpfen wieder

Überraschende Entwicklung: Cem Özdemir will sich für den Grünen-Parteivorsitz bewerben. Alles deutet nun auf eine Kampfkandidatur zwischen ihm und Volker Ratzmann hin. Den Grünen kann das nur gut tun.

Nico Fried, Berlin

Die jungen Realos bei den Grünen haben in den vergangenen Wochen kein sehr beeindruckendes Bild abgegeben. Reihenweise fanden vor allem die Herren unter ihnen Gründe dafür, nicht für den Parteivorsitz anzutreten, der mit dem Rückzug von Reinhard Bütikofer vakant wird.

Plötzlich aber hat sich die Lage geändert. Alle Zeichen deuten nun sogar auf eine Kampfkandidatur zwischen Volker Ratzmann und Cem Özdemir hin. Den Grünen kann das nur gut tun.

Der Berliner Landespolitiker Ratzmann ist über die Hauptstadt hinaus bislang keine Berühmtheit. Dass er möglicherweise dennoch seine Chance sucht, ist ehrenwert, mit Renate Künast hat er eine nicht unmaßgebliche Unterstützerin.

Geduld und Beharrlichkeit

Favorit ist dennoch Özdemir. Er galt bis zu seinem unehrenhaften Abgang 2002 wegen fragwürdigen Krediten und Bonusmeilen als eines der größten grünen Talente. Für seine Fehler hat er nicht nur mit einem zeitweiligen Karriereknick ausreichend gebüßt. Die Geduld und die Beharrlichkeit, mit denen er sich wieder nach vorne arbeitete, haben ihm zurecht einigen Respekt eingebracht.

Auch als Parteichef würde Özdemir anstrengende Basisarbeit erwarten. Und so umworben die Grünen derzeit sind, so wenig haben sie doch seit dem Machtverlust 2005 einen klaren Kurs entwickeln können. Nur an guten Selbstdarstellern ist ihr Bedarf mit den Spitzenkandidaten für 2009, Renate Künast und Jürgen Trittin, gedeckt.

Auch Özdemir eint mit seinem einstigen Förderer Joschka Fischer die Neigung, sich an der eigenen Großartigkeit zu berauschen. Um ein guter Parteichef zu werden, müsste er beweisen, dass er endgültig jene Schwächen überwunden hat, die ihm vor ein paar Jahren noch zum Verhängnis wurden.

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Quelle:
SZ vom 3. Juni 2008
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