Süddeutsche Zeitung

Wahl in der Türkei:Özdemir kritisiert Erdoğan-Anhänger in Deutschland

  • Nach der großen Zustimmung für Erdoğan bei der Präsidentenwahl in der Türkei übt der frühere Grünen-Chef deutliche Kritik an den Deutschtürken.
  • Sie jubelten einem "Alleinherrscher" zu und drückten zugleich ihre "Ablehnung unserer liberalen Demokratie" aus.
  • Gökay Sofuoğlu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sieht deren Wahlverhalten bedingt dadurch, welche Menschen in den vergangenen Jahrzehnten nach Deutschland emigrierten.

Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir hat das Wahlverhalten der Türken in Deutschland scharf kritisiert. "Die feiernden deutsch-türkischen Erdoğan-Anhänger jubeln nicht nur ihrem Alleinherrscher zu, sondern drücken damit zugleich ihre Ablehnung unserer liberalen Demokratie aus. Wie die AfD eben", teilte der Bundestagsabgeordnete auf Twitter mit. Das müsse "uns" beschäftigen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat bei der Präsidentenwahl am Sonntag in der Türkei mit mehr als 52 Prozent die absolute Mehrheit errungen. In Deutschland erzielte er allerdings noch ein deutlich besseres Ergebnis: Mehr als 65 Prozent der abstimmenden Deutschtürken gaben ihm ihre Stimme.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa würdigte Özdemir, dass die prokurdische HDP die Zehn-Prozent-Hürde überprungen hat und damit wieder ins Parlament einzieht. "Ihr gutes Abschneiden und die Wechselstimmung der letzten Wochen zeigen, dass viele Menschen in der Türkei die Nase voll haben von Erdoğans Angstregime", sagte der Grünen-Politiker. "Wäre dieser Wahlkampf einigermaßen fair verlaufen, dann hätte Erdoğan die Macht abgeben müssen."

Es bleibe den Oppositionsparteien CHP und HDP nun zu wünschen, dass sie auch über den Wahlkampf hinaus "ein Stachel im Fleisch des Regimes bleiben und das Licht der Demokratie in der Türkei hochhalten".

Die Türkische Gemeinde in Deutschland setzte die besonders große Zustimmung für Erdoğan unter Deutschtürken mit der Struktur der Migration in Zusammenhang. Dass Erdoğan bei den Türken in Deutschland deutlich besser abgeschnitten habe als in der Türkei, sei eine Folge der Art von Arbeitsmigration, wie sie die Bundesrepublik einst betrieben habe. Diese Arbeitsmigranten stammten vorwiegend aus einem konservativen Milieu. Menschenrechtsfragen interessierten sie weniger, "für sie ist Erdoğan derjenige, der Krankenhäuser, Autobahnen und Einkaufszentren gebaut hat", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoğlu.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4028628
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/KNA/gal
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.