Östliches Mittelmeer:Ankaras Pakt mit Tripolis

Ohne Rücksicht auf Griechenland und Zypern vereinbaren die Türkei und Libyen, Rohstoffe in Meereszonen auszubeuten, die ihnen gar nicht gehören.

Von Matthias Kolb und Christiane Schlötzer, Athen

Die griechische Regierung spricht von "Provokation" und "Erpressung" und sieht eine Gefahr für den Frieden im östlichen Mittelmeer. Athens harsche Kritik richtet sich gegen die Türkei. Es geht um einen Konflikt, der seit langem schwelt, um Rohstoffe im Meer, und die Art, wie Ankara seine Ansprüche durchzusetzen versucht. Erst schickte die Türkei Bohrschiffe vor die Küste Zyperns, und wurde dafür von der EU mit Sanktionen belegt. Ende November unterzeichneten die Türkei und Libyen dann ein Memorandum über ihre maritimen "Einflusszonen", zur gemeinsamen Ausbeutung von Bodenschätzen.

Eigentlich haben die beiden Länder gar keine gemeinsame Seegrenze, dafür sind ihre Küsten viel zu weit voneinander entfernt. Und in dem riesigen Seegebiet liegen auch etliche griechische Inseln, darunter Rhodos, Lesbos und Kreta. Die haben Ankara und Tripolis bei ihrem Deal nicht einmal berücksichtigt. Am Freitag hat Athen deshalb den libyschen Botschafter ausgewiesen, er bekam 72 Stunden zum Packen.

Nun ist Libyen ein von einem Bürgerkrieg geplagtes Land. Die Regierung in Tripolis ist zwar von der UN anerkannt, aber ihr mächtiger innenpolitischer und militärischer Gegner General Khalifa Haftar, von Russland unterstützt, droht aktuell mit der Einnahme der Hauptstadt. Auf Haftars Seite wiederum steht Parlamentspräsident Aguila Saleh Issa. Er ist jetzt nach Athen eingeladen, obwohl er in der EU eigentlich ein Einreiseverbot hat. Der Grund: Issa hält - ebenso wie Athen - den Vertrag mit der Türkei für "ungültig".

Europäische Diplomaten in Athen zeigen sich besorgt über diese Eskalation. Das Verhältnis zwischen den Nachbarn Griechenland und Türkei ist ohnehin spannungsanfällig. Derzeit ist es auch wegen des steten Zustroms von Flüchtlingen belastet, die aus der Türkei auf Inseln in der Ägäis übersetzen. Und die Ereignisse in Ankara versprechen keine Beruhigung. So berichtete die Zeitung Hürriyet am Mittwoch von einem zweiten Memorandum zwischen Ankara und Tripolis. Darin geht es um militärische Zusammenarbeit. Dieser Teil sei bislang dem türkischen Parlament noch nicht vorgelegt worden. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach jedoch öffentlich bereits davon, dass Ankara auch Truppen nach Libyen schicken könnte, falls es eine "Einladung" aus Tripolis dazu erhalte. Ein Kommentator der Hürriyet warnt, "Libyen ist nicht Syrien", eine Entsendung türkischer Truppen auf die andere Seite des Mittelmeers könne die Türkei "nicht mit legitimen Sicherheitsinteressen" begründen, sie müsste mit eindeutigen internationalen Reaktionen rechnen.

Athen sieht internationales Recht verletzt. Und Erdoğan redet von Truppenentsendung nach Libyen

Griechenland hat sich schon in Briefen an die UN gewandt. Darin heißt es laut Kathimerini, die Vereinbarung mit Tripolis verstoße gegen internationales Recht und verletzte die Souveränität Griechenlands. Erdoğan wiederum hat den Kauf einer neuen Bohrplattform angekündigt.

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am Donnerstag über die Türkei sprechen. Der Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels stützt Athens Rechtsauffassung: Das Memorandum "verletzt die Hoheitsrechte von Drittstaaten, steht nicht mit dem Seerecht im Einklang und kann deswegen keinerlei Rechtsfolgen für Drittstaaten haben". Zudem bekräftigt die EU ihre "uneingeschränkte Solidarität" mit Griechenland und Zypern. In Brüssel wird betont, dass diese Position unstrittig sei.

Allerdings verweisen EU-Diplomaten auf die Komplexität der Beziehung zu Ankara: Auch wenn die Erdgasbohrungen und die Militärintervention in Syrien hart kritisiert werden, so bleibe die Türkei für viele ein Partner in der Nato und in der Migrationspolitik. Die Drohungen Erdoğans, Flüchtlinge unkontrolliert nach Europa ausreisen zu lassen, zeigt Wirkung, zumal der türkische Präsident vielen als "unberechenbar" gilt.

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