Süddeutsche Zeitung

Österreichs Außenminister über Flüchtlingskrise:"Es vergehen Wochen und Monate, ohne dass sich etwas tut"

  • Der österreichische Außenminister Kurz kritisiert in der Flüchtlingskrise die Tatenlosigkeit der europäischen Regierungschefs.
  • Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hat den EU-Ländern bei der Verteilung von Flüchtlingen "Versagen" vorgeworfen.
  • UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert, Menschenhändlern das Handwerk zu legen.

Österreichs Außenminister Kurz kritisiert Tatenlosigkeit

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz sagte der New York Times, er verlange ein sofortiges Treffen europäischer Regierungschefs. "Bei der Schuldenkrise in Griechenland folgte ein Treffen dem nächsten", sagte Kurz: Beim Thema Flüchtlinge "vergehen Wochen, Monate, ohne dass sich etwas tut."

Kurz forderte eine gemeinsame europäische Antwort, "Europa muss aufwachen und verstehen, dass es ein großes Problem hat", sagte er. Der grausige Fund von 71 toten Flüchtlingen, die im Kühlraum eines Lastwagens in Österreich entdeckt wurden, schockiert das Land noch immer. An diesem Samstag wurden vier verdächtige Schlepper in Ungarn in Untersuchungshaft genommen.

Schulz: EU-Länder stehlen sich aus Verantwortung

Im Streit über die Verteilung von Flüchtlingen hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), zahlreichen EU-Ländern ein "unwürdiges Spiel" und "Versagen" vorgeworfen.

Schulz sagte der Welt: "Wir haben es nicht mit einem Versagen der EU zu tun, sondern mit einem eklatanten Versagen einiger Regierungen, die sich aus der Verantwortung stehlen, indem sie eine gemeinsame europäische Lösung verhindern."

Schulz forderte die betreffenden Staaten auf, mehr Migranten aufzunehmen: "Die Regierungen einiger Mitgliedsstaaten müssen endlich ihre Blockade beheben und dieses unwürdige Spiel beenden." Er betonte, dass bereits Vorschläge für mehr europäische Solidarität in der Flüchtlingsfrage vorlägen. "EU-Kommission und EU-Parlament haben bereits seit langem praktikable Vorschläge auf den Tisch gelegt. Diese sind aber am Unwillen einiger nationaler Regierungen gescheitert, denen das europäische Interesse egal ist", sagte er.

Ban will Schleppern das Handwerk legen

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte in seinem am Freitag in New York verbreiteten Statement, trotz aller Rettungsaktionen der Europäischen Union "bleibt das Mittelmeer eine Todesfalle für Flüchtlinge und Migranten". Die hohen Flüchtlingszahlen seien Ausdruck tiefer liegender Probleme wie Krieg, Gewalt und Unterdrückung. "Es ist eine Krise der Solidarität, nicht der Zahlen", sagte Ban.

Er forderte mit Nachdruck, Menschenschmugglern das Handwerk zu legen sowie legale und sichere Fluchtwege zu schaffen. Nach UN-Angaben haben in diesem Jahr bereits mehr als 300 000 Migranten den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa gewagt. Davon kamen 200 000 in Griechenland an, 110 000 in Italien. Schätzungen zufolge starben bei der Überfahrt in diesem Jahr bereits 2500 Menschen. Am Freitag wurde befürchtet, dass weitere 200 Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste ums Leben gekommen sind.

Bouffier rechnet mit mehr Flüchtlingen als prognostiziert

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier rechnet für dieses Jahr mit deutlich mehr Flüchtlingen in Deutschland als vom Bund prognostiziert. Er gehe von einer Million Asylsuchenden und Flüchtlingen aus, sagte der CDU-Politiker in einem Fernsehinterview des Hessischen Rundfunks. Das wären noch einmal 200 000 mehr als in der von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere präsentierten neuen Schätzung.

Bouffier sagte, die Herausforderung werde die Deutschen "auf Jahre" in einer Weise fordern, wie sie bisher nicht dagewesen sei. Deutschland werde das aber nicht überfordern. Außerdem kündigte Bouffier ein hartes Vorgehen gegen rechtsextremistische Gewalt an. "Dafür stehe ich auch persönlich."

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