Österreichs Außenminister Kurz:Wunderwuzzi auf der Weltbühne

Steinmeier und Kurz in Berlin

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (rechts)

(Foto: Daniel Naupold/dpa)

Er hat kein abgeschlossenes Studium und keine nennenswerte außenpolitische Erfahrung. Trotzdem macht Österreichs erst 27-jähriger Außenminister Sebastian Kurz "bella figura" in Berlin.

Von Cathrin Kahlweit, Berlin

Es war wohl nicht allein die Begeisterung für Frank-Walter Steinmeiers Aussagen zu Syrien und François Hollande, die zahlreiche Journalisten ins Berliner Außenministerium getrieben hatte. Einige wollten sich auch einfach mal Steinmeiers neuen Kollegen aus Wien anschauen. Denn einen 27-jährigen, der ohne abgeschlossenes Studium oder nennenswerte außenpolitische Erfahrung einen kleinen, aber nicht ganz unbedeutenden EU-Staat vertritt - den sieht man nicht alle Tage.

Der Antrittsbesuch von Sebastian Kurz, der in österreichischen Medien regelmäßig halbironisch als "Wunderwuzzi" firmiert, war dann allerdings genau so, wie solche Antrittsbesuche wohl gemeinhin sind: eher unaufregend. Steinmeier hatte dem jungen Kollegen schon zuvor telefonisch sinngemäß zugerufen, Jugend sei ein Problem, das sich leider von selbst erledige. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz am Werderschen Markt am Mittwoch war der Deutsche dann ausgesprochen freundlich, und der Österreicher sowieso. Kurz ist bekannt für seine Umgangsformen, er hilft sogar Männern aus dem Mantel, wenn es sich ergibt.

Beim Thema deutsche Autobahnmaut spielte man sich die Bälle zu - die Österreicher sind dagegen, und Sozialdemokrat Steinmeier darf nur deshalb nicht öffentlich dagegen sein, weil es im Koalitionsvertrag anders steht. Beim Thema Armutsmigration ist wiederum die SPD unglücklich über die scharfmacherische Diktion der CSU, während sich der konservative Österreicher auf die salomonische Position zurückzog, er möge das Wort Sozialtourismus nicht, aber in seinem Land gebe es ohnehin striktere Regeln dagegen als anderswo. Bild kürte ihn daraufhin am Donnerstag gleich zum Aufsteiger des Tages - vermutlich aber eher wegen seines einnehmenden Auftretens als wegen seiner Haltung zum Westbalkan. Der Österreicher findet nämlich, alle ex-jugoslawischen Staaten sollten mittelfristig eine EU-Beitrittsperspektive erhalten, Albanien und Mazedonien noch in diesem Jahr, was bei seinen deutschen Freunden von der Union nicht auf ungeteilte Begeisterung trifft.

Aufregung in Österreich hält sich in Grenzen

Kurz, der schon mit 24 Jahren ÖVP-Staatssekretär für Integration geworden war und nun, in der Neuauflage der Wiener großen Koalition, von seiner Partei mit dem Außenamt beglückt wurde, macht business as usual, was auch sonst. Seine erste Auslandsreise hatte er, noch vor Weihnachten, nach Kroatien gemacht, um die Bedeutung des Westbalkans für Österreich zu demonstrieren, und in Brüssel war er auch schon. Die erste möglicherweise echte Herausforderung im neuen Amt stand für Donnerstagabend auf dem Programm: ein Besuch des als wenig umgänglich bekannten israelischen Außenministers Avigdor Lieberman. Aber auch den dürfte der Wiener mit seinem Charme befrieden - selbst wenn er sich, wie er gegenüber Steinmeier bereitwillig einräumte, in Sachen Nahostkonflikt auf eine erste Israelreise noch "vorbereite".

Die Aufregung in Österreich darüber, dass ein Jungspund ein so wichtiges Amt bekleidet, hatte sich in Grenzen gehalten; dazu waren andere Personalentscheidungen von Vizekanzler Michael Spindelegger zu umstritten gewesen. Eine parteilose Meinungsforscherin als Familienministerin, ein ehemaliger Kanzler-Anwalt als Justizminister, ein beliebter, aber geschasster Wissenschaftsminister - da war keine Energie mehr gewesen für die Frage, wie einer gestrickt sein muss, der gegen Kriegsherren und Revolutionäre oder auch nur gegen fremde Chefdiplomaten und EU-Bürokraten in den Ring steigt. Kurz, der in der Jugendorganisation der ÖVP schnelle Karriere gemacht hatte, findet ohnehin, dass es nur auf die Performance ankommt. Er lerne schnell, höre intensiv zu - und könne sich auf gute Berater und ein hervorragend funktionierendes Haus stützen.

Aus dem war zwar vor seiner Ernennung einerseits manche kritische Bemerkung pikierter Diplomaten kolportiert worden, die sich um das Standing des Außenministeriums sorgten, wenn es einer führt, der nicht mal sein Jura-Studium beendet hat. Aber auch manch hoffnungsfrohe Spitze drang nach außen: Einer, der sich beweisen müsse, arbeite viel und nehme den Posten vielleicht ernster als der bisherige Amtsinhaber Spindelegger, der gleichzeitig auch Parteichef und Vizekanzler war (und ist) und seine Präsenz bei internationalen Treffen nicht immer ganz oben auf die Prioritätenliste setzte.

Der Neue schwänzte hingegen gleich mal den zweiten Tag der Regierungsklausur der großen Koalition, um sich auf die Reise nach Deutschland zu begeben, was wiederum Wiens Boulevard zum Jubeln brachte: "Ganz Berlin liebt Außenminister Kurz", titelte die Zeitung Österreich am Donnerstag. Der war übrigens economy nach Deutschland geflogen - und saß auf dem Rückweg im Flieger inmitten einer Gruppe slowakischer Touristen. Vielleicht erkannte ihn der eine oder andere von ihnen ja Stunden später in Bratislava wieder. Dort machte er nämlich schon am Donnerstagfrüh seinen nächsten Freundschaftsbesuch.

Linktipp: Mehr über die bisherige Karriere von Sebastian Kurz, dem neuen österreichen Außenminister, finden Sie in diesem Süddeutsche.de-Porträt.

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