Süddeutsche Zeitung

Österreichischer Rechtspopulist:Straches rot-weiß-rotes Angstprogramm

Zum Wahlkampffinale in Östereich zeigt FPÖ-Chef Strache, wie ein Populist Stimmen fischt: Indem er so tut, als ob sein Land vor dem Untergang steht. Der Rechtspopulist beleidigt Bundeskanzler Faymann als Verräter, unterstellt der grünen Frontfrau, Österreich zu hassen und warnt vor der Islamisierung Österreichs. Über den Auftritt eines Angstmachers.

Von Oliver Das Gupta, Wien

Werner Otti ist stolz. Seit eineinhalb Stunden hat der Sänger mit seiner Band Schnulze auf der Abschlussveranstaltung der FPÖ gespielt. Hier, am Stephansplatz im Herzen Wiens, vor dem Stephansdom steht die Bühne, die die rechtspopulistische Partei vor allem für einen Mann errichtet hat: Heinz-Christian Strache, genannt HC, dem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl am 29. September.

Sänger Otti gibt sich gerührt. Jetzt, nachdem er ein Medley aus "Marmor, Stein und Eisen bricht", "Viva Colonia" und anderen oktoberfestkompatiblen Hits gespielt hat, folgt ein letztes, ein besonderes Lied. Ein Stück, das er extra für den HC komponiert hat. "Liebe ist der Weg", singt Otti und manchem kommt die Melodie bekannt vor. Otto ist offenbar ein großer Fan von Leona Lewis und ihrer Schnulze "Run", ursprünglich stammt das Lied von der Band Snow Patrol.

Strache erscheint, wie ein Deus ex Machina: Eine Mini-Hebebühne befördert ihn auf ein Podest, die Stufen sind rot und weiß. Strache strahlt sein Strache-Lächeln, aber das war es dann für den Abend mit guter Laune. Was der FPÖ-Chef in den anschließenden etwa 70 Minuten abliefert, ist Demagogie in kompakter Form. Er unterscheidet sich nicht so sehr von anderen Populisten. Eigentlich ist es ziemlich gewöhnlich, was Strache da abliefert - gewöhnlich, weil er auf der typischen Klaviatur von Rechtspopulisten spielt.

Die Kernbotschaft

Alles ist schlecht, alles war früher besser, das Land droht den Bach runter zu gehen: So lautet die Kernbotschaft der meisten Populisten. Strache beschwört an diesem lauen Herbstabend in Wien, dass es Österreich schlecht geht. Dass das Land trotz der Krise im Vergleich zu den meisten europäischen Nachbarn relativ gut da steht, erwähnt er nicht. Er sät Angst. Deshalb sagt er Sätze wie: "Ois is teurer worn", "Die Leute können sich immer weniger leisten". Er spricht vom "Ausverkauf unserer Heimat", und davon, dass das Bildungssystem zerstört worden sei. Im Vergleich zu früher hätten die Menschen "10.000 Schilling" an Kaufkraft verloren hätten - denn diese Zahl klingt größer und der Schilling nach der alten Zeit, in der angeblich in Österreich alles gut war.

Wer den Schaden hat

Linke wie rechte Populisten machen sich gerne zum Anwalt des "kleinen Mannes". So macht das auch Strache. Die Pensionisten seien "verraten" worden, die Pflegepolitik sei "soziale Schande". Zum Thema Gleichberechtigung fällt ihm ein, dass keine Frau sich eine "Wurstsemmel" davon kaufen könne, das die Regierung die "Bundeshymne verhunzt" habe. Strache meinte damit, dass in dem überarbeiteten Text neben den "großen Söhnen" des Landes nun auch die "großen Töchter" besungen werden. Immer wieder kommt er auf den sozialen Wohnungsbau zu sprechen. Für Wartezeiten hat er ein Sprüchlein: "Willst du eine Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen". Er erntet damit bitteres Lachen. Tatsächlich haben sich auf dem Stephansplatz sich auffällig viele Menschen versammelt, denen es offensichtlich nicht gut geht: Ältere Menschen mit ausgemergelten Gesichtern, Familien deren Kleidung auf prekäre Verhältnisse hinweist.

Wer Schuld hat

Schuld haben bei Linkspopulisten oft "die da Oben" und die Wirtschaft im Allgemeinen. Bei Rechtsradikalen wie Strache sind es der politische Gegner, aber vor allem: die Ausländer, vor allem die aus muslimischen Regionen. Wie ein roter Faden zieht sich die Agitation gegen Ausländer durch Straches Rede: mal subtiler ("Ich bin ein Inländerfreund und kein Ausländerfeind") , mal in einem Witz verpackt ("Werde auch in Zukunft keinen Burkini tragen"), mal als schrille Warnung davor, dass der Rechtsstaat Österreich vor dem Untergang steht ("Scharia soll bei uns eingeführt werden").

Empörung, Übertreibungen, Hetze

Manches, was Populisten so von sich geben, wäre ziemlich fade, wenn sie es vom Blatt ablesen würden. Zum Beispiel Wirtschaftsdaten, Statistiken über Kriminalität und Zuwanderung. Damit die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht flöten geht, verwendet Strache die banalen Mittel der Aufstachelung: Er empört sich über Dinge, die ohnehin verdammenswert sind ("Ehrenmorde", "Beschneidungen"), nur tut er so, als ob er der Einzige wäre, der dies anprangert. Er übertreibt Probleme ("90 Prozent" der Kinder aus türkischen Familien können kein Wort Deutsch bei der Einschulung). Teilweise hetzt Strache offen. Zum Beispiel, wenn er von "Asylbetrug" redet. Er sagt "Die betrügen uns" - also jeden einzelnen Österreicher. Es gebe eine "Asylindustrie". Die Regierenden und ihre verlängerten Arme in Ämtern und Nichtregierungsorganisationen würden jeden Antrag annehmen.

Hetze zwischen den Zeilen

Strache deutet manches nur an. Die Zuhörer können sich dann den Rest denken. Zum Beispiel wenn er die in Griechenland geborene Wiener Vize-Bürgermeisterin und Grünen-Politikerin Maria Vassilakou erwähnt. Der SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl habe "der Vassilakou" das Regieren längst überlassen. Und dass sie besser in Griechenland Politikerin geworden wäre. Er wettert auch gegen die Regierung, die "Nächstenliebe mit Bankenspekulanten in Brüssel" praktiziere.

Abkupfern bei anderen

Strache bedient sich ungeniert bei anderen Politikern demokratischer Parteien, vor allem bei der FDP: Er spricht davon, dass es mehr "Netto vom Brutto" geben müsse und dass die Grünen eine "Verbotspartei" sei. Von der Kirche hat er sich das Motto seiner Kampagne abgekupfert das da lautet: "Nächstenliebe". Strache bezieht "Liebe deine Nächsten" allerdings nicht auf alle Menschen - sondern nur auf "unsere Österreicher". Mit der rechtsextremen NPD hat Straches FPÖ übrigens den Slogan "Die soziale Heimatpartei" gemeinsam.

Alle stecken unter einer Decke

Verschwörungstheorien sind bei Demagogen eine prima Erklärung, warum es so viel Widerspruch gibt. Bei Strache sind es vor allem die Medien die Dinge über ihn und seine Partei "verdrehen" und "in ein falsches Licht" rückten. Im Laufe seiner Rede erwähnt er auch noch Meinungsforscher, Verbände und - natürlich - die Parteien SPÖ, ÖVP und die Grünen. Alle stecken laut Strache unter einer Decke. Selbst die Kirchen kritisiert Strache, sie sollten sich mit politischen Äußerungen zurückhalten. Strache erwähnt als Beweis für die konspirative Anti-FPÖ-Mache den Wirbel um junge Männer, die bei einem Strache-Auftritt in Graz den rechten Arm reckten (Süddeutsche.de berichtete darüber). Der SPÖ-Nachwuchs hatte Fotos von einer Gruppe gemacht, die offenbar der rechten Szene angehört. Strache sieht den Verdacht, sie hätten den Hitlergruß gezeigt, als widerlegt an. Denn die Polizei hat die Ermittlungen eingestellt nach nur einem Tag.

Geheuchelte Liberalität und Toleranz

Zu Straches Repertoire gehört auch die Vortäuschung von Toleranz. Bei Ihm hört sich das an diesem Abend so an: "Wir lehnen linken und rechten Extremismus ab". Der Beifall ist verhalten, aber darum geht es nicht. Er hat den Satz gesagt. Wenige Minuten später wettert er gegen "die Islamisierung", die dem Land drohe. Strache behauptet, er habe nichts gegen Ausländer, die in Österreich leben wollen. Wenn sie sich integrierten, die Sprache lernten, Steuern zahlten und erst nach vielen Jahren Sozialleistungen in Anspruch nehmen würden. Er entwertet selbst diese Aussage mit einem platten Angstmacherspruch: "Bevor die (die Regierung, Anmerkung der Redaktion) die Bevölkerung austauschen, tauschen wir die Politiker aus." Er sagt, sexuelle Orientierung sei Privatsache. Und entlarvt seine Toleranz-Sätze als bloßes Gerede, weil er gleich hinterherschiebt: "Ich oute mich als hetero". Und: "Das ist schon ein Minoritätenprogramm" in diesen Zeiten. Ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben könne es nicht geben. Kinder bräuchten Vater und Mutter.

Verächtlichmachung von Gegnern

Strache schmäht wie sein politischer Ziehvater Jörg Haider gerne seine Gegner. Die Grüne Spitzenkandidatin Eva Glawischnig sei "hasserfüllt gegen die eigene Heimat", ÖVP-Frontmann Michael Spindelegger lüge, weil er ihm - Strache - nicht in die Augen schauen könne. Und Bundeskanzler Werner Faymann habe "alle Versprechen gebrochen" und "verraten". Strache ahmt Faymann als kreischendes Gegenüber nach. Rote, Schwarze und Grüne seien dem Euro hörig, wie "eine Sekte". Die SPÖ sei eine "Islamismuspartei geworden". Strache macht seine politischen Mitbewerber herunter, er ist enthemmt.

Personenkult und Retterimage

So wie einst die FPÖ Jörg Haider in den Mittelpunkt gestellt hat, fröhnt die Partei nun dem HC-Personenkult. Alles ist auf Strache ausgerichtet, den "starken Mann". Vor der Bühne recken die Anhänger zuvor verteilte Plastikschals mit HC-Aufdruck in die Höhe und tragen entsprechende Käppis. Er lässt sich besingen, posiert anfangs auf einem Podest wie ein Pop-Star. Hinter ihm blinkt ab und zu eine Leinwand mit platten Parolen auf, ansonsten ist zu sehen: HC Strache.

In seiner Rede kommen keine anderen Parteifreunde namentlich vor, er sagt mehrmals "ich und meine Partei". Ein Anführer muss reichen. Er verspricht, dass er "voran schreitet". Ein bisschen theatralisch wird er auch: Strache sagt, er wolle sich am Sterbebett von seinen Kindern nicht vorwerfen müssen, sie seien "Minderheit in der eigenen Heimat" geworden.

Strache kommt zum Ende. Er, der Chef der "blauen" FPÖ, bittet um Wählerstimmen. Regieren will niemand mit ihm, Straches FPÖ steht in Umfragen bei 20 Prozent. Trotzdem: Strache beschwört "ein blaues Wunder" am Wahltag.

Dann ist er fertig mit seinem rot-weiß-roten Angstprogramm. Strache hat sein Land schlecht geredet. Jetzt lacht er wieder. Fahnen werden verteilt, ein paar weitere Vertreter seiner Partei stehen auf der Bühne. Immerhin dürfen sie Fahnenschwenken. Otti stimmt noch einmal seine Ode an Strache an. Es folgt ein Konfettiregen, die Zuhörer drehen sich um, denn es dringen Protestrufe zu ihnen.

Einen Steinwurf weiter, hinter Absperrgittern und einer stattlichen Anzahl von Polizisten, steht eine Gruppe junger Menschen und ruft "Nazis raus". Es sind nicht viele, aber ihr Lärm hallt schon seit Beginn von Straches Auftritt von den hohen Mauern des Stephansdoms wider.

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