Süddeutsche Zeitung

Österreichische Politiker unter Korruptionsverdacht:Unter Freunderln

In Österreich sorgt eine Affäre um Kanzler Faymann für Wirbel, doch nicht nur die SPÖ, sondern auch Vertreter der früheren Koalition aus ÖVP und FPÖ stecken im Korruptionssumpf: In der Alpenrepublik existiert offenbar ein System von Geben und Nehmen - der Staat scheint zum Selbstbedienungsladen geworden zu sein.

Cathrin Kahlweit

Der Lobbyist Peter Hochegger ist in Österreich ein berühmt-berüchtigter Mann, taucht er doch als mutmaßlicher Vermittler, Strippenzieher, Mitwisser in so gut wie jedem Korruptionsskandal auf, der derzeit in dem Nachbarland verhandelt wird. Und davon gibt es mittlerweile so viele, dass Kenner in der Öffentlichkeit nur noch mit Kürzeln um sich werfen: Buwog und Bewag, ÖBB und Porr, Bawag und Novomatic, Tetron und Telekom.

Der Name Hochegger fällt dabei regelmäßig: Einst pflegte der begabte Netzwerker gute Verbindungen zu Österreichs Sozialdemokraten, doch als im Jahr 2000 das erste Bündnis der konservativen ÖVP mit den rechtsextremen Freiheitlichen unter Jörg Haider an die Macht kam, schwenkte der Unternehmer um. Er wurde regelmäßig an der Seite des schillernden Finanzministers Karl-Heinz Grasser gesehen - und machte sich für das damalige Regierungsbündnis unentbehrlich.

Die Folgen sind heute zu besichtigen: Täglich, so scheint es, erfährt die Republik mehr darüber, wer mit wem dereinst gute Geschäfte machte, wer davon profitierte, und was daran bisweilen nicht ganz sauber war.

Allein fünf Minister aus der früheren, schwarz-blauen Regierung unter ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel - Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (der später zur ÖVP wechselte), die Ex-Verkehrsminister Mathias Reichhold und Hubert Gorbach sowie Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner (erst FPÖ, dann BZÖ), und Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) - befinden sich im Visier der Ermittler. Sie sollen in der Zeit zwischen 2000 und 2007 bei Privatisierungen und öffentlichen Auftragsvergaben in die eigene Tasche gewirtschaftet - und sich dabei, wie es die grüne Abgeordnete Gabriele Moser vorsichtig formuliert, "Vorteile verschafft" haben. Hochegger sei immer dabei gewesen, nur eben "auf der falschen Seite".

Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Die Medien überschlagen sich gleichwohl mit Artikeln zum "Korruptionssumpf in Österreich", zum "schwarz-blauen Provisions-Register", zum "etwas anderen Erbe von Schwarz-Blau".

Mittlerweile indes hat die Aufdeckungswelle auch die Sozialdemokraten und die amtierende rot-schwarze Regierung erreicht: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Bundeskanzler und Ex-Verkehrsminister Werner Faymann sowie seinen Staatssekretär Josef Ostermayer wegen Untreue; sie sollen 2007 staatseigene Betriebe dazu gebracht haben, Anzeigen in einigen Medien zu schalten, um eine positive Berichterstattung zu bewirken.

Die Ermittlungen zur Ära Schüssel - der Ex-Kanzler hat mittlerweile deswegen sein Abgeordnetenmandat niedergelegt - sind indes schon viel weiter gediehen. Und weil die Staatsanwaltschaften so viel zu tun haben, wurde eine zusätzliche Truppe für Korruptionsfälle ins Leben gerufen. Eine Kronzeugenregelung gibt es nunmehr auch (sie hat in der Causa Telekom Austria schon zum ausführlichen Geständnis einer Schlüsselfigur geführt), und derzeit diskutiert das Parlament, befeuert durch die öffentliche Empörung, auch über eine Änderung der Immunitätsregeln und über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Wann jedoch die parlamentarische Untersuchung der Telekom-Affäre beginnen soll, ist umstritten, was Untersuchungsgegenstand sein soll, ebenfalls.

Auch die Reform des Immunitätsgesetzes steht in der Kritik, Fachleute wie Verfassungsrechtler Heinz Mayer finden es sogar skandalös, es schütze "einen Abgeordneten sogar noch vor Verfolgung, wenn er verdächtig ist, strafbare Handlungen begangen zu haben". Immerhin: Das "Anfüttern" von Amtsträgern, vulgo Bestechung, das in Österreich praktisch nicht bestraft wird, soll unter die Lupe genommen werden; in Planung ist auch ein Lobbyisten-Register, das die OECD seit langem fordert. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit hatte Österreich mehrmals als "Korruptionsoase" bezeichnet.

Nicht nur die Politik beginnt umzudenken, auch die Justiz hat ihre bisweilen schleppenden Ermittlungen beschleunigt. Dem Lobbyisten Hochegger, der zahlreiche Beraterverträge und Provisionen vermittelte, seinem Zuträger Walter Meischberger (FPÖ), Grasser und ihren Freunden in Politik und Wirtschaft sitzt die Staatsanwaltschaft schon seit Jahren im Nacken; nun stehen auch andere Politiker, weitere Lobbyisten und Landespolitiker auf der Liste.

Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen, Zeugen- und Kronzeugenaussagen, Selbstanzeigen und öffentliche Bekenntnisse bringen täglich neue Details zutage. Kurt Kuch, Chefreporter bei News, führt das darauf zurück, dass sich die Spielregeln "verschärft" hätten. Jetzt sei belegbar, dass es ein "System Hochegger" gegeben habe, eine "fast serielle Vorgangsweise" bei der Verquickung von politischen Entscheidungen mit persönlichen, monetären Vorteilen und Freunderlwirtschaft.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, dessen Partei als Sinnbild der "Bestechungskultur" gilt, ficht das alles nicht an: "Die heutige FPÖ hat nicht das Geringste mit der damals regierenden FPÖ zu tun", sagt Strache zur Süddeutschen Zeitung. "Damals gab es Glücksritter, Abenteurer und Abkassierer. Das hatte auch mit dem Quereinsteiger-Unwesen zu tun, wo Personen ohne ideologischen Background in Führungspositionen gehievt wurden." So etwas komme bei ihm garantiert nicht mehr vor.

Die Österreicher sehen das offenbar ähnlich: Bei einer Umfrage des Magazins Profil legte die SPÖ leicht zu - und die FPÖ verlor nur drei Prozent.

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SZ vom 21.09.2011/odg
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