Im Österreich-Newsletter vom 14. März 2025 fragten wir nach Erlebnissen, die Leserinnen und Leser auf der Bahnstrecke zwischen Wien und München gemacht haben. Hier eine Auswahl der vielen Zuschriften:
Erheiternde Zugdurchsage
Auf der Westbahnstrecke habe ich vor Jahren eine sehr erheiternde Zugdurchsage gehört. Der Schaffner wies die Fahrgäste auf das Zugrestaurant hin, auch auf Englisch: „Where you can get coffee, tea and snakes“ (sollte wohl snacks heißen!). Ulrike Mauerhofer, Karlsruhe (Baden-Württemberg)
Hotspot für Trinktouristen
Aus Gründen, die wohl jeder für sich selbst finden muss, ist die Achse Salzburg–München ein Hotspot für begnadete Trinktouristen – in beiden Richtungen und zu jeder Jahres- und Tageszeit wohlgemerkt. Neben Junggesellenabschieden und Fußballfans finden sich auch klassische Bierfreunde, von denen man oft gerne zum Mitwirken eingeladen wird.
Aber nicht nur Alkoholismusvoyeure, sondern auch Freunde des internationalen Austausches kommen, besonders in den Zügen des Regionalverkehrs, auf ihre Kosten. Von geselligen Urlaubern aus Brasilien, den USA und sogar aus Eisenstadt (!) bis zu ukrainischen Familiengruppen, die (aus Erfahrung) schnell mal ein ganzes Abteil auf den Kopf stellen können, ist alles dabei.
Man möchte meinen, manchmal geht es im Zug zu wie im Zirkus, aber genau das ist es, warum ich jede Fahrt auf dieser Strecke genieße. Egal, ob man mit Menschen zusammenkommt und plaudert, die man sonst nie wahrnehmen würde, oder ob man dem Treiben der Reisenden einfach zusieht: Mit der oberbayrischen Landschaft im Hintergrund lässt es sich einfach angenehm auf Gleisen fahren. Janik Nottebohm, Salzburg/München
Taxi holt Zugführer
(...) Auf der Strecke zwischen Sankt Gallen und München blieb mein Zug mitten im Nirgendwo stehen. Freie Strecke nennt man das wohl. Nachts, draußen nichts zu sehen, der Zug voller Menschen. Der Zug steht. Nach einer Stunde steht er immer noch. Endlich eine Durchsage: „Unser letzter Zugführer überschritt vor einer Stunde seine zugelassene Arbeitszeit und musste ausgetauscht werden. Wir konnten den Ersatzmann nicht erreichen. Jetzt holen wir einen anderen mit dem Taxi zu Hause ab. Wenn er da ist, geht die Reise weiter. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Zug.“ (...) Peter Dinter, München
Verblüffende Antwort
(...) Hauptbahnhof Wien, 16. Dezember 2024. Durchsage, der Zug fährt in Kürze ab. Er fährt aber nicht, er steht, fünf Minuten, zehn Minuten, dann setzt er sich in Bewegung. Auf der Westbahn (ich meine das Unternehmen, nicht die Strecke) hieße es jetzt, der Zug habe zehn Minuten Verspätung, weil ... Und wir entschuldigen uns.
Nicht so bei der ÖBB. Also die Frage an den Zugbegleiter, warum die Fahrgäste über die Verspätung nicht informiert würden. Die Antwort war verblüffend: „Aber jetzt foahrn ma eh, san’s froh.“ Robert Brunner, Wien
Erfahrene Bahnfahrer weisen den Weg
Interessant finde ich immer wieder, dass sich DB und ÖBB gegenseitig die Verspätungen „in die Schuhe schieben“ – wobei die DB meistens die Hauptlast trägt.
Als ich also wieder mal in Meidling auf dem Gleis stand und auf den Zug nach Hanau (Ziel: Dortmund) wartete, der – wieder mal – endlose Verspätung hatte, wurde durchgesagt, dass dieser Zug an diesem Tag bereits in St. Pölten „umgedreht“ wurde (um die Verspätung etwas einzudämmen, sprach mich eine Frau an, die fragte, was sie denn nun tun solle. Sie selbst müsse noch nach Göttingen und wüsste nicht, wie sie bei massiver Verspätung überhaupt noch an diesem Tag dort ankommen sollte).
Ich meinte nur: „Warten Sie mal ab, es ist noch nicht gesagt, dass Sie den Anschlusszug noch nicht erreichen.“ Ich hab mir mittlerweile angewöhnt, die DB- und ÖBB-Apps abwechselnd zu checken – denn die Aussagen der DB unter „eigene Reisen“ sowie die Durchsagen am Gleis, die zudem meistens bei Einfahrt eines anderen Zuges eingespielt werden und daher fast unhörbar sind, sind alles andere als belastbar.
Per Lautsprecher wurde uns nahegelegt, in einen RailJet nach Linz einzusteigen und dann in den eigens gebuchten ICE umzusteigen. Die Frau folgte mir gerne – auch wenn sie die Durchsage gar nicht gehört hatte. Kurz vor St. Pölten kam dann im Zug die (wieder viel zu leise) Durchsage, dass man doch schon dort in den ICE umsteigen sollte, der am selben Bahnsteig am Nachbargleis wartete. In Linz allerdings dann nicht mehr ... das wurde an dieser Stelle verschwiegen, war aber in der ÖBB-App ersichtlich.
Wieder folgte mir die Frau auf Schritt und Tritt – und erreichte so letztlich auch noch ihren Anschluss in Nürnberg.
Fazit: Die Informationspolitik der Bahn(en) ist das Problem - nicht die Verspätungen an sich. Wenn man statt Infos darüber, was NICHT läuft, lieber einen Alternativvorschlag mit belastbarer Lösung erhalten würde, wäre es mehr als wünschenswert. So müssen alle Fahrgäste „Profis“ finden, die die Ruhe bewahren und ihnen den Weg weisen. Edith Pürschel, Nidderau (Hessen)
Fahrten in der Vorhandyzeit
Ich erinnere mich gerne an Zugfahrten in der Vorhandyzeit, als man oft und leicht in interessanten Gesprächen mit Mitreisenden landete. (...) Vor gut 20 Jahren kam ich auf der Zugfahrt von Wien nach Linz mit einem Münchner Studenten ins Gespräch. Er war sehr sympathisch, ausgesprochen fesch und hatte gerade begonnen, in Wien Medizin zu studieren. Ich schien ihm vertrauenswürdig zu sein, denn er stellte mir viele Fragen, die zum Teil darauf schließen ließen, dass ihm seine Studienkolleg:innen ziemlich viel Unsinn über die Verhältnisse in Wien erzählt hatten.
Es gab damals noch Stempelmarken, und man konnte diese in Trafiken kaufen (also muss es vor 2002 gewesen sein). Nachdem der junge Mann den Mitstudierenden seine Verwunderung über diese Art der Stempelmarkenbeschaffung geäußert hatte, sagten ihm diese, dass das ganz normal sei; bei uns bekäme man in Trafiken auch Geburts-, Heirats- und sonstige Urkunden. (...) Therese Preisack, Perg (Oberösterreich)
Beschwipst und ewiggestrig
Im Dezember 1963 fuhr ich vom Wiener Westbahnhof nach München. Ich studierte damals in Oxford und war gerade zum ersten Mal in Wien gewesen und freute mich auf meinen ersten Aufenthalt in München. Ein beschwipster Herr ohne Wintermantel fiel vor der Abfahrt über meine Füße ins Abteil und musterte mich gründlich, bevor er anfing, von seinem Leben zu erzählen. Er schien die anderen Reisenden nicht wahrzunehmen, es war, als ob etwas an meinem Aussehen ihn zu einer sehr persönlichen Selbstdarstellung provozierte. Schwerpunkte: Sein Dienst bei der Wehrmacht im Osten, die Dankbarkeit „der Russen aller Klassen“ für den deutschen Angriff auf die Sowjetunion, die Katastrophe der Niederlage und der sowjetischen „Brutalität“ in Österreich.
Schon auf der Bahnfahrt von Holland nach Wien hatte ich erfahren, dass ich als „Fremder“ unter Deutschsprechenden nicht zu sprechen, sondern nur zuzuhören und unterstützend zu nicken und zu bejahen hätte. Auf der Fahrt von Wien nach München war’s genauso, bis wir Salzburg verließen. Da fiel mir der Herr an die Brust, drückte sein verheultes Gesicht an meinen Hals und sagte, ich solle ihm bitte sagen, sobald wir „im Reich“ angekommen wären. Ich hab’s ihm so genau wie möglich gesagt. Bei der Ankunft in München trennte er sich ohne ein Wort von allen im Abteil und verschwand (wir ließen ihm ja Vortritt). Eine Dame, die in Salzburg eingestiegen war, bedankte sich und sagte, wie „nett das von mir gewesen“ sei, sie hätte den Herrn aus dem Fenster geschmissen. Dr. James Quitslund, Bainbridge Island, Washington (USA)
Funkloch als Ausrede
Da unsere Agentur Standorte in Wien, Salzburg, Innsbruck und München unterhält, sind wir mehr als regelmäßig auf der Strecke Wien–München beziehungsweise –Innsbruck unterwegs. Das sogenannte „deutsche Eck“, also die Strecke zwischen Salzburg und Rosenheim, ist von uns intern als „Funkloch“ deklariert, das heißt, wenn Meetings oder Telefonate anstehen, langt das Stichwort „Bin im deutschen Eck unterwegs“ als Entschuldigung für eine Nicht-Teilnahme. Seit Beginn des Mobilfunkzeitalters ist auf dieser Strecke der Bahn kein Empfang möglich – im Gegensatz zur Strecke Wien–Salzburg, auf der ein perfektes Arbeiten möglich ist, dank perfekter Verbindung. Stephan Kalinka, Au bei Bad Aibling (Bayern)
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