Er hat es tatsächlich noch einmal geschafft: Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ist zum Bundespräsidenten Österreichs gewählt worden - zum zweiten Mal. Anders als im ersten Durchgang ist der Sieg sogar deutlicher ausgefallen. Nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten scheint es eine noch größere Überraschung, dass nicht Rechtspopulist Norbert Hofer die Wahl für sich entscheiden konnte, sondern der 72-jährige emeritierte Volkswirtschaftsprofessor. Dass eine klare Mehrheit nicht dem Populisten folgte. Österreich bleibt nun der umstrittenste Präsident seit Kurt Waldheim erspart.
Wie hat Alexander Van der Bellen das geschafft?
Er hat Ausdauer bewiesen
Fast ein Jahr Wahlkampf - das gab es in Österreich noch nie. Winter, Frühling, Sommer, Herbst: Die Kandidaten durchliefen alle Jahreszeiten. Van der Bellen blieb seiner Linie dabei treu, änderte seine Positionen nicht und blieb im Ton weitgehend verbindlich. Er blieb zudem immer im Wahlkampfmodus und machte auch im Hochsommer keine Pause. Der ehemalige Grünen-Chef wanderte mit Reportern auf 2000 Meter Höhe, um zu zeigen, wie fit er ist. Und er sammelte immer mehr und mehr öffentliche Unterstützer aus allen politischen Lagern um sich. Am Ende überließ ihm sogar Rainhard Fendrich für Wahlkampfzwecke sein Lied "I am from Austria" - und damit die inoffizielle Bundeshymne Österreichs.
Er lernte aus dem Wahlergebnis im Mai
Ein neuer Versuch kann auch sein Gutes haben. Dann nämlich, wenn aus den Fehlern im ersten Durchgang gelernt wird. Das Ergebnis der aufgehobenen Stichwahl war knapp - brachte aber klare Erkenntnisse: In den Städten schnitt Van der Bellen gut ab, im ländlichen Raum hingegen unterlag er Hofer. Nach der ersten Stichwahl hieß es oft, dass der Grüne am Land gar nicht präsent und damit auch kaum bekannt war. Das Kampagnenteam änderte deshalb die Strategie. Van der Bellens Reisen gingen vor allem in die ländlichen Gegenden. "Dorthin, wo Leute wohnen, die mich noch nicht kennen und das Klischee haben, das ist so ein Städter, der hat mit uns nichts am Hut", sagte er im ORF. "Heimat" und die Farben Rot-Weiß-Rot erhielten zudem eine Hauptrolle in der Plakatkampagne. Dem vorläufigen Wahlergebnis nach dürfte diese Strategie aufgegangen sein: Van der Bellen hat mehr als 200 Gemeinden dazugewonnen.
Wahl in Österreich:Alexander Van der Bellen, der wandelbare Professor
Erst Sozialdemokrat, dann Chef der Grünen, nun als unabhängiger Kandidat gewählter Bundespräsident - und schon lange glühender Europäer. Ein Porträt in Bildern.
Er war das geringere Übel
Diese Bundespräsidentenwahl wurde mehrfach als "Richtungswahl" bezeichnet. Es galt zwischen zwei Extremen zu entscheiden. Jeder zweite seiner Wähler stimmte im Mai vor allem deshalb für den Grünen, der als Unabhängiger antrat, um den rechtspopulistischen Burschenschafter im höchsten Amt zu verhindern. Diesmal waren es 42 Prozent seiner Wähler. Der österreichische Politologe Peter Filzmaier analysierte im ORF, dass Van der Bellen den Sieg nur über ein "Dreiecks-Geschäft mit Nichtwählern" geschafft habe. Damit meinte er all jene, die in den vergangenen Jahren aus Frust über die etablierten Parteien zu Hause geblieben sind. Einen Teil von ihnen konnte der Grüne bereits im Mai - und jetzt erneut mobilisieren. Eine klare Mehrheit habe sich zudem dafür ausgesprochen, dass ein traditionelles Verständnis des Amtes beibehalten wird, erklärt Filzmaier. Norbert Hofer wollte sich bekanntlich als Bundespräsident stark einmischen.
Ja und vielleicht taten auch der Brexit und Donald Trump ihr Übriges. Der Schock in der westeuropäischen Öffentlichkeit saß nach der Wahl des US-Milliardärs tief, könnte auch bei der österreichischen Bevölkerung zu einem Umdenken geführt haben. Aber auch hier geben erst die Detailergebnisse zu den Wahlmotiven sichere Auskunft.
Klar ist, dass der lange Wahlkampf das Land polarisiert hat. Die Wähler Norbert Hofers werden verdrossen sein, sich um den Sieg betrogen sehen. Hier muss der neue Bundespräsident Van der Bellen eine integrative Sprache finden.
Sieg Van der Bellens könnte Strache für das Kanzleramt helfen
Dass er allerdings ein Grüner ist, darüber werden wohl viele - auch wenn er seine Parteimitgliedschaft ruhend stellte - kaum hinwegsehen. Für die nächsten Parlamentswahlen, die möglicherweise schon im Herbst 2017 stattfinden, könnte das einen weiteren Aufschwung für die FPÖ bedeuten - auch wenn sie jetzt verloren haben. Denn sowohl Kanzler als auch Bundespräsident aus dem linken Spektrum könnten vielen Österreichern einer zu viel sein. Heinz-Christian Strache wäre damit als Kanzlerkandidat für manche willkommener Gegenpol zum grünen Präsidenten - und könnte letztlich von der Niederlage seines Parteifreunds Hofer profitieren.