Wahl in Österreich:Kurz sucht schon seine Partner

Wahl in Österreich: Siegessicher: Sebastian Kurz.

Siegessicher: Sebastian Kurz.

(Foto: Roland Schlager/AFP)

In Österreichs Wahlkampf wird weniger darüber diskutiert, ob Sebastian Kurz und die ÖVP noch zu schlagen sind. Die Frage lautet, wer mit ihm koalieren wird.

Von Peter Münch, Wien

Im Wahlkampf geht es gemeinhin um die Wünsche der Bürger. Doch Sebastian Kurz, der als Spitzenkandidat der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zurück ins Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz drängt, hat gegenüber dem ORF in dieser Woche auch einmal seine eigenen Wünsche formuliert: Er wünscht sich nach der Nationalratswahl am 29. September eine breite und bequeme Auswahl aus mehreren Koalitionsoptionen. Während es nach der Wahl 2017 allein die Option Türkis-Blau, also eines Bündnisses mit der FPÖ, gegeben habe, wolle er dieses Mal "die beste Option für Österreich" sondieren.

Aus diesem frommen Wunsch spricht vor allem das Selbstbewusstsein, nach dem Wahlsieg die Wahl zu haben. Gestützt wird dies zum einen durch die Umfragen, in denen die ÖVP unangefochten bei rund 35 Prozent und damit gut über den 31,5 Prozent von 2017 liegt. Zum anderen dürfte aber auch das Verhalten der politischen Konkurrenz an der ÖVP-Spitze Wohlgefühle im Wahlkampf wecken. Denn dort wird ringsherum weniger darüber diskutiert, wie man Kurz bei der Wahl noch schlagen kann. Eher geht es um die Frage, wie man hinterher mit ihm koalieren könnte.

Dabei läuft auch die ÖVP-Wahlkampfmaschine längst nicht so gut geschmiert wie 2017. Während Kurz nach Art des Kugelblitzes durchs Land eilt, um möglichst viele Hände geschüttelt und auf möglichst vielen Selfies gelächelt zu haben, muss in der Wiener Zentrale immer wieder Krisenmanagement geleistet werden. Erst war es die Schredder-Affäre um die heimlich, gründlich und letztlich dämlich ins Werk gesetzte Vernichtung von Datenträgern aus dem Kanzleramt, mit der die ÖVP in Erklärungsnöte geriet. Nun sind es gestückelte und damit lange verschleierte Großspenden, die Fragen nach der Nähe der Volkspartei zu Milliardärs- und Industriellenkreisen und damit zu möglichen Gegenleistungen aufkommen lassen.

Mit solchen Misslichkeiten aber müssen sich in der Regel die unteren ÖVP-Chargen abkämpfen. Kurz gibt den lieber den Visionär und verspricht, dass Österreich unter seiner weiteren Führung "noch erfolgreicher und besser werden" könne. Der passende Spruch auf den Plakaten dazu lautet: "Unser Weg hat erst begonnen."

Strache aus dem Schützengraben

Wortgleich würde das wohl gern auch die FPÖ plakatieren. Der designierte neue Parteichef Norbert Hofer lässt keinen Zweifel daran, dass er die 2017 gebildete Koalition mit Kurz um fast jeden Preis fortsetzen will. Zwar ist dieses Bündnis an Ibizas Gestaden zerschellt, doch das scheint auf beiden Seiten niemanden nachhaltig zu stören. Die ÖVP allerdings sieht sich in der komfortablen Lage, die in den Umfragen bei rund 20 Prozent - also sechs Prozentpunkte hinter dem Ergebnis von 2017 - liegende FPÖ mit immer neuen Bedingungen vor sich herzutreiben: Der frühere Innenminister Herbert Kickl soll demnach kein Ministeramt mehr bekommen, obendrein will die ÖVP im Gegensatz zu der nach rechts weit offenen FPÖ die Identitären verbieten lassen.

Inhaltlich hätte eine solche Koalition dennoch die meisten Überschneidungen. Das Risiko jedoch, dass sich die FPÖ als strukturell nicht regierungsfähig erweist, ist heute mindestens so groß wie 2017. Denn der nach dem Ibiza-Video vom Vorsitz zurückgetretene Heinz-Christian Strache lässt die Partei nicht zur Ruhe kommen. Mit Mühe hat es die FPÖ nun offenbar geschafft, zumindest während des Wahlkampfs die Kontrolle über Straches offizielle Facebook-Seite mit 800 000 Followern zu erlangen. Querschüsse aus Straches Schützengraben sind dennoch weiter zu erwarten. Das könnte sich nach der Wahl, falls Straches forsche Comeback-Ansprüche nicht erfüllt werden, zu einer Zerreißprobe bis hin zur Parteispaltung auswachsen.

Auf sichererem Grund könnte sich die ÖVP also bei einer Koalition mit der SPÖ bewegen. Auch wenn offiziell natürlich auch die SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner den eigenen Anspruch aufs Kanzleramt betont, wird dies bei einem Rückstand von derzeit rund 15 Prozentpunkten gegenüber der ÖVP selbst in den eigenen Reihen für wenig realistisch erachtet. Folglich stünden die Sozialdemokraten - im Ernstfall womöglich auch mit neuer Führung - als Juniorpartner bereit. Das Problem ist nur: Diese Standardkoalition aus den vergangenen Jahrzehnten steht in der Bevölkerung für Streit und Stillstand, ist also höchst unbeliebt.

Oder eine Dreierkoalition?

Die Versuchung könnte also groß sein für Kurz, etwas ganz Neues zu probieren: ein Bündnis mit den 2017 aus dem Parlament geflogenen und nun wiedererstarkten Grünen, im Bedarfsfall erweitert zu einer Dreierkoalition mit den liberalen Neos. Kurz könnte sich damit als Erneurer präsentieren und den Makel abstreifen, die Rechtspopulisten von der FPÖ hoffähig gemacht zu haben. Billig allerdings wäre das wohl nicht zu haben: Vor allem mit den Grünen, die zumindest in Teilen noch wenig pragmatisch sind, wären deftige inhaltliche Reibereien zu erwarten.

Abgerechnet aber wird erst zum Schluss. Während des Wahlkampfs wird sich Kurz keine Koalitionspräferenz entlocken lassen. Wer sich nach allen Seiten offen zeigt, kann überall auf Stimmen hoffen. Zudem muss die ÖVP die Spannung hoch halten. Fünf Wochen sind es noch bis zum Wahltag. Da sollte sich keiner zu früh seinen Wünschen hingeben.

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