Österreich vor Präsidentenwahl:Raffinessen und Risiken des Norbert Hofer

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FPÖ-Vizechef Norbert Hofer gab das Buch "Für ein freies Österreich" im Jahr 2013 heraus. (Foto: N/A)

Im österreichischen Wahlkampf lenkt der FPÖ-Kandidat geschickt von Dingen ab, die ihm die Präsidentschaft vermasseln könnten. Drei Beispiele zeigen, wo der Rechtspopulist Angriffsflächen bietet.

Analyse von Oliver Das Gupta

Kurz vor der später annullierten Stichwahl im Mai 2016 lieferten sich Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer ein denkwürdiges TV-Duell. In Erinnerung bleibt die Debatte der österreichischen Präsidentschaftsbewerber vor allem, weil sie ohne Moderator stattfand und zu einer Farce wurde ( hier mehr dazu).

Aber es gab eine ehrliche Aussage des Rechtspopulisten Hofer, der zielgerichtet das Gespräch zerstörte. Wie raffiniert er doch sei, attestierte der Grüne Van der Bellen dem FPÖ-Mann. Und Hofer antwortete: "Ja, so bin ich eben."

In der Tat: Hofers Raffinesse zeigt sich während des Endloswahlkampfes immer wieder. Er agiert schnell und wendig, übertüncht wortreich unangenehme Fragen, manchmal schaltet er von einem Moment auf den nächsten von ziemlich freundlich auf ziemlich aggressiv.

Immer wieder schafft er es, seine eigene Agenda zu setzen. So attackierte Hofer vor wenigen Tagen in der TV-Debatte beim Sender ATV die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Das tut Hofer zwar andauernd, was namhafte Medien ( auch SZ.de) nicht davon abhielt, Hofers Kritik zur Schlagzeile zu machen - Gegenkandidat Van der Bellen drang mit seinen Inhalten weniger durch. Dass Hofer während derselben Sendung gehörig ins Schwimmen kam mit Aussagen über eine eventuelle Entlassung der Regierung, blieb auf diese Weise weitgehend unbeachtet.

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In Rededuellen punktet der FPÖ-Kandidat mit rhetorischen Tricks. Seine Erfolge verdankt er Gegnern zufolge einer Technik, die in Österreich in aller Munde ist: der neurolinguistischen Programmierung.

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Hofer beherrscht schon lange die Kunst, Gespräche zu lenken und gegebenenfalls Zwietracht zu säen, er besuchte entsprechende Seminare ( hier mehr dazu). Hofers Raffinesse hilft ihm auch, seine Risiken zu minimieren. Mit dem so entstehenden Wahlkampfgetöse lenkt Hofer von Dingen ab, die ihm die Präsidentschaft vermasseln könnten. Drei Beispiele zeigen, wo der Rechtspopulist angreifbar ist.

1. Der FPÖ-Malus

Der Zuspruch für Hofer übersteigt deutlich das bisher bekannte Wählerpotenzial der Partei. Damit Hofer bei der Stichwahl gewinnt, braucht er zusätzliche Stimmen, vor allem aus dem katholisch-konservativen Milieu. Deshalb verteilt die FPÖ Hofer-Broschüren, in denen er mit einem Hundewelpen zu sehen ist, aber jeder Hinweis auf die FPÖ fehlt - obwohl er deren programmatischer Kopf und Vizechef ist. Die Partei will vergessen machen, dass Hofer einer der ihren ist. Das ist aus seiner Sicht aus mehreren Gründen ratsam:

  • Anti-österreichische Historie: Die Wurzeln der FPÖ liegen nicht im österreichischen Patriotentum, sondern im großdeutschen Nationalismus (worauf AfD-Vize Gauland unlängst hingewiesen hat). Zur Ausrichtung der politischen Strömung zählte in der Vergangenheit die Ablehnung von Österreich als eigenständige Nation, ein ausgeprägter Antisemitismus und Hass auf die katholische Kirche. Ein Kennzeichen der deutschnationalen Bewegung waren die Kornblume und die Farben Schwarz-Rot-Gold. Hofer posierte mit der Kornblume, er zeigte sich mit schwarz-rot-goldender Schärpe in Kreisen, wo solche Traditionen normal sind: bei den stramm rechten Burschenschaften.
  • Problematisches Personal: Hofers politische Heimat grenzt sich nicht nach Rechtsaußen ab, vielmehr rekrutiert die Partei seit jeher fragwürdiges Personal. Die ersten FPÖ-Chefs waren ehemalige SS-Offiziere, Parteichef Heinz-Christian Strache engagierte sich bis in die neunziger Jahre in der Neonazi-Szene. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, der Hofers Wahlkampagne leitet, besuchte erst im Oktober einen Kongress in Linz, auf dem sich die rechtsextreme Hautevolee traf. Neben Kickl tummelte sich dort unter anderem auch der bayerische Bandido-Rocker und NPD-Funktionär Sascha Roßmüller. Roßmüller ist für den bayerischen Verfassungsschutz kein Unbekannter. Der NPD-Mann versuche "den Eindruck zu erzeugen, es müsse dringend etwas gegen das politische System unternommen werden", sagte die Behörde auf Anfrage der SZ.
  • Heinz-Christian Strache: Nicht nur wegen seiner zurückliegenden rechtsextremen Aktivitäten verschreckt der FPÖ-Chef eher potenzielle Hofer-Wähler, als dass er welche dazugewinnt. Strache gilt als aggressiv und unbeherrscht, zahlreiche Ausfälle (wie etwa hier und hier) und Merkwürdigkeiten schaden seinem Ruf. Hofer hat Strache politisch alles zu verdanken. Mehrfach hat Hofer erklärt, Strache müsse Bundeskanzler Österreichs werden, auch am 22. Mai, dem Abend der Stichwahl ums Präsidentenamt. Damals gab Hofer offen zu, wie er die 50-Prozent-Zustimmung bei der Präsidentenwahl verstanden hat: Er pries Strache, dank ihm sei man "heute soweit, dass jeder zweite Österreicher FPÖ gewählt hat". Dass Hofer als Bundespräsident seinem Parteichef zur Kanzlerschaft verhelfen würde, hat er angedeutet. Wenn er direkt darauf angesprochen wurde, wich Hofer allerdings sofort aus.

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2. Der Öxit

Die FPÖ feindet die Europäische Union stark an, Hofer teilt diese Einstellungen. Beim Referendum über Österreichs EU-Beitritt 1994 stimmte Hofer mit Nein. Seither fordern FPÖ-Größen immer wieder einen Ausstieg, einen Öxit. Nach dem Brexit-Votum frohlockte die FPÖ, und Hofer redete davon, dass auch Österreich binnen eines Jahres über einen Austritt abstimmen sollte.

Doch in der österreichischen Bevölkerung stieg nach dem Brexit die Europafreundlichkeit, nur noch 23 Prozent sprachen sich für einen Öxit aus. Wenige Tage nach Bekanntwerden der Umfrage änderte der FPÖ-Vize plötzlich seine Meinung. "Für Österreich wäre es zweifellos ein Schaden, nun aus der EU auszutreten", sagte Hofer.

Zweifel an Hofers Standpunkt kommen ausgerechnet von Nigel Farage, dem früheren Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei und Initiator des Brexit. Der Brite setzt unmittelbar vor der Stichwahl auf einen Sieg Hofers und prophezeit, dass der FPÖ-Mann den Öxit einleitet: "Hofer wird verlangen, dass Österreich ein Referendum über seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union abhält", so Farage.

3. Das Pamphlet

Besonders gefährlich ist für Norbert Hofer ein Buch, das er 2013 herausgegeben hat. Geschrieben hat es Michael Howanietz, ein Mitarbeiter der FPÖ-Parlamentsfraktion (in Österreich: Parlamentsclub), Hofer hat als Herausgeber ein Vorwort beigesteuert. Unter dem Titel "Für ein freies Österreich - Souveränität als Zukunftsmodell" stehen auf 149 Seiten höchstbrisante Inhalte, die im Internet frei einsehbar sind.

Es trieft vor frauenfeindlichen und biologistischen Passagen, Wortwahl und Inhalte sind mitunter typisch für rechtsextreme Pamphlete. So spricht der Autor von "kulturfremden Neuösterreichern" und davon, dass man die Fremden einlade, so "wie die Wespenlarve die Made langsam von innen zerfrißt".

Vom Aussterben der "waschechten" Einheimischen ist die Rede, weil diese so wenig Kinder bekämen. Gleich zweimal wird ein "Brutpflegetrieb" genannt, den der Autor sich von Frauen wünscht. Die Frauenquote wird "als Instrument der Gemeinschaftszersetzung" bezeichnet und an anderer Stelle heißt es, dass "manche junge Dame ihre zunächst gewollte Schwängerung bald für einen sexistischen Übergriff hält".

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Der krude Inhalt ist bizarr verschwurbelt formuliert. Eine Textprobe:

"Der vom Thron des Familienoberhaupts gestoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, die, trotz hipper den-Mädels-gehört-die Welt-Journale, in häuslichen Kategorien zu denken imstande ist, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirklichungsambitionen überragt. Die von feministischem Dekonstruktionsehrgeiz zur selbstverwirklichungsverpflichteten Geburtsscheinmutter umdefinierte Frau sehnt sich unverändert nach einem ganzen Kerl, der ihr alle die emotionalen und ökonomischen Sicherheiten gibt, die eine junge Mutter braucht, um sich mit weitgehend sorgloser Hingabe dem Nachwuchs zuwenden zu können."

Das in dem von Hofer herausgegebenen Buch vertretene Weltbild kennt nur hell und dunkel, nur Chaos und Ordnung. Vom "Zerfall der als Völker definierten Gemeinschaften" ist die Rede, von "eruptiver Gewalt" und einem drohenden Gemetzel durch Zuwanderung. Es drohe in Europa "ein an Brutalität nicht zu überbietender Bürgerkrieg". Außerdem agierten dubiose Mächte, es ist die Rede von geheimen Gesprächen, von der Bilderberg-Konferenz. Der "Umbau Europas in einen Zentralstaat nach Sowjetvorbild" sei schon 1989 geplant worden von US-Bankier David Rockefeller und Ex-Außenminister Henry Kissinger - auch der letzte sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow sei dabei gewesen. Damit nicht genug: Die Aufarbeitung der Nazi-Zeit wird als "Selbstgeißelung der Schuldpropheten" verspottet.

Wenn ein Parteifreund den Parteichef interviewt

Die kruden Passagen, die in Deutschland nicht einmal die AfD vertritt, lässt Hofer nicht als rechtsextrem gelten. Die "Faschismuskeule, mich als rechtsextremen Menschen darzustellen", sei völlig aus der Luft gegriffen, kritisierte er. Für die frauenfeindlichen Passagen und den Autoren hat Hofer milden Tadel übrig. Das Wort "Brutpflegetrieb" sei wahrlich unglücklich gewählt worden. Das würde Autor Howanietz heute nicht mehr so machen, sagte Hofer dem Sender Puls4 im Oktober. Weitere Kritik am Buch übt der Präsidentschaftskandidat nicht, warum auch: "Der Inhalt ist insgesamt in Ordnung." Und den Nationalsozialismus verabscheue er, beteuerte er.

So räumte Hofer auch dieses heikle Thema viele Wochen vor der Wahl ab. Wie nah der Präsidentschaftskandidat seinem Autor Howanietz steht und ob er seine Ansichten zu Wespenlarven und zur angeblich zersetzenden Frauenquote teilt, wollte Hofer trotz mehrfacher SZ-Anfrage nicht beantworten.

Auch FPÖ-Mitarbeiter Howanietz ging nicht auf Anfragen ein. Der Mann scheint allerdings schon lange wohlgelitten bei den FPÖ-Oberen zu sein. Schon 2005 hat er mit seinem Parteichef Strache ein langes Interview geführt für die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit.

Nach der Lektüre des Hofer/Howanietz-Werkes ist klar, dass das Wort "Freiheitlich" für die FPÖ nicht für Liberalität steht. Im Zentrum steht das Völkische, der Kampf der Kulturen. Konservativ-katholisch ist an dem Buch auch nichts, das Christentum wird weitgehend ausgeblendet. Doch das ist genau den Wählern wichtig, die Hofer braucht, um Präsident zu werden.

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