Österreich vor der Wahl:Schlammschlacht im rechten Lager

Österreichs gespaltene Rechtspopulisten kämpfen um Haiders Erbe und werben aggressiver als jemals zuvor um Stimmen - auf Kosten der Zuwanderer und der politischen Kultur.

Peter Lindner

Zum Duell trat Heinz-Christian Strache mit einem betont lässigen Lächeln an. Sein Kontrahent Peter Westenthaler, Chef des rechtsgerichteten "Bündnis Zukunft Östereich" (BZÖ), bemühte sich ebenfalls, extrem entspannt zu wirken.

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"Haider-Kopie" Heinz-Christian Strache, Chef der FPÖ

(Foto: Foto: AP)

Auch wenn sich die Erzrivalen zu Beginn des Streitgesprächs im österreichischen Fernsehen noch artig begrüßten, wurde schnell klar: Von höflicher Etikette und sachorientiertem Diskurs halten weder der Frontmann der Freiheitlichen Partei (FPÖ) noch Westenthaler allzu viel.

Österreichs führende Rechtspopulisten gifteten sich natürlich auch im TV-Duell an und nutzten die Bühne, um die seit Wochen tobende Schlammschlacht um Stimmen am rechten Rand fortzuführen - mit nationalen Standpunkten und "Law-and-Order"-Getöse. Schließlich geht es bei der Parlamentswahl am kommenden Sonntag auch um Haiders Erbe - und für das BZÖ bundespolitisch ums Überleben.

Strache, 37, gelernter Zahntechniker, und Westenthaler, 38, Ex-Fußball-Manager, lassen keine Gelegenheit aus, sich abzuwatschen. Jeder behauptet vom anderen, nur eine billige "Haider-Kopie" zu sein. Ganz falsch liegen beide nicht.

Erfolgreich ohne Haider

Das BZÖ - als Juniorpartner der Konservativen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel derzeit in Regierungsverantwortung - liegt in den Umfragen bei nur drei Prozent und muss somit fürchten, an der Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament zu scheitern.

Die FPÖ dagegen ist auch ohne ihre einstige Führungsfigur Jörg Haider, der 2005 nach internen Machtkämpfen aus der Partei austrat und das BZÖ gründete, relativ erfolgreich. Bei der Wiener Landtagswahl im vergangenen Jahr holte sie 15 Prozent.

In Umfragen kommt die FPÖ zurzeit auf neun bis zehn Prozent. Sie darf sich Hoffnungen machen, trotz der BZÖ-Abspaltung drittstärkste Kraft im Lande zu bleiben - hinter den Konservativen und den Sozialdemokraten. Dennoch: Die glorreichen Zeiten sind vorbei, in denen die Partei - wie 1999 unter Haider - stolze 27 Prozent errang.

Ganz Europa protestierte, als die Konservativen im Februar 2000 mit der aufstrebenden FPÖ koalierten. Nachdem das Regierungsbündnis 2002 wegen Querelen in der FPÖ zerbrochen war, ging die Partei von Bundeskanzler Schüssel gestärkt aus der Wahl hervor. Die FPÖ stürzte auf zehn Prozent ab. Konservative und FPÖ bildeten aber erneut die Regierung. Seit der Spaltung der Rechtspopulisten 2005 besteht nun die Koaltion aus den Konservativen und der neuen Haider-Partei, dem BZÖ.

"Am Wirtshaustisch lässt sich oft leicht argumentieren"

Die Regierungszeit der FPÖ hat vor allem eines gelehrt, wie auch Ex-FPÖ-Mann Eduard Mainoni, der mit Haider zum BZÖ übergetreten und seit 2004 Staatssekretär im Infrastrukturministerium ist, in der soeben erschienenen Studie des Sozialwissenschaftlers Oliver Geden über "Diskursstrategien im Rechtspopulismus" ungewohnt offen einräumt: Seine Partei habe damals schnell festgestellt, dass "Regieren nicht so einfach" sei. Und: "Am Wirtshaustisch lässt sich oft leicht argumentieren, aber in der Praxis der Umsetzung ist es dann oft sehr schwer."

Diese Selbsterkenntnis deckt sich mit den Forschungsergebnissen Gedens: Rechtspopulistische Parteien können aus der Opposition heraus die Wähler häufig mit sehr großem Erfolg mobilisieren. "Sie verlieren aber an Attraktivität, sobald sie aus der Oppositionsrolle heraus müssen", erklärt der Sozialwissenschaftler.

Die Populisten scheitern daran, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Haiders Schicksal und der Zustand seines BZÖ führen dies exemplarisch vor Augen.

Haiders Zeit als erfolgreicher Bundespolitiker ist vermutlich abgelaufen. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass der Kärntner Landeshauptmann - selbst wenn sein BZÖ unter vier Prozent bleibt - noch ins Parlament einzieht. Und zwar über ein so genanntes Grundmandat in Kärnten.

Haider führt dort seit langem einen Streit mit der slowenischen Minderheit, der er trotz eines Urteils des Verfassungsgerichts keine zweisprachigen Ortsschilder zubilligen will. Dahinter dürfte vor allem das Kalkül stecken, das Reservoir der deutschnationalen Kärntner abzuschöpfen.

Doch selbst wenn dies nicht gelingt und Haider nach dem 1. Oktober im bundespolitischen Nichts verschwindet, legen die in der Summe zweistelligen Umfragewerte der Rechtspopulisten mit ihren "Haider-Kopien" an der Spitze nahe: Wenn auch nicht er selbst, so ist doch sein Typus Politiker noch immer gefragt.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Wer die Rechtspopulisten wählt und welches Kalkül hinter der aggressiven Ausländerpolitik steckt.

Schlammschlacht im rechten Lager

Laut Geden werden BZÖ wie FPÖ vor allem von Menschen mit relativ niedriger Bildung, mehr von Männern als von Frauen sowie von Bürgern, "die von sozialer Deklassierung bedroht sind", gewählt.

Österreich vor der Wahl: Hat ebenfalls vom Kärtner Landeshauptmann gelernt: Peter Westenthaler, Chef des BZÖ.

Hat ebenfalls vom Kärtner Landeshauptmann gelernt: Peter Westenthaler, Chef des BZÖ.

(Foto: Foto: AFP)

Strache und Westenthaler haben ihre Strategie darauf ausgerichtet, diese Klientel mit aller Macht zu mobilisieren. Als einstige Ziehsöhne Haiders wissen sie, wie das funktioniert.

Die FPÖ macht schon seit Wochen mit Slogans wie "Daham statt Islam", "Deutsch statt `nix verstehn`" oder "Heimat statt Schüssel samt Brüssel" Stimmung. Strache & Co. fordern unter anderem einen Einwanderungsstopp und wollen Traumatisierung als Asylgrund abschaffen.

"Massendeportation"

Das BZÖ, programmatisch ähnlich aufgestellt, steht dem feindlichen Lager auch verbal in nichts nach: Westenthaler will 300.000 Ausländer abschieben und nennt sein Programm "30 Prozent Minus", was der sozialdemokratische Spitzenkandidat Alfred Gusenbauer als "Massendeportation" brandmarkte. Mehrere Institutionen, darunter der Migrantenbeirat der Stadt Graz, haben gegen die Chefs der Rechtspopulisten bei der Staatsanwaltschaft Klagen eingereicht, unter anderem wegen des Verdachts der "Verhetzung".

Zumindest im BZÖ kommt die aggressive Ausländerpolitik nicht bei allen gut an: Anfang der Woche, sechs Tage vor der Wahl, trat die österreichische Justizministerin Karin Gastinger aus der Partei aus. Grund: Sie wolle "in keiner politischen Bewegung tätig sein, die ausländerfeindlich ist, die mit Ängsten operiert", sagte die Ministerin der Zeitung Kurier.

Das Geschäft mit der Angst

Dass sie damit recht hat, zeigt ein weiteres überraschendes Statement des Staatssekretärs Mainoni in Gedens Studie. Bezogen auf die aggressive Ausländerpolitik der Rechtspopulisten sagte er wörtlich:

"Was ist der Hintergrund? Es ist die Angst der Menschen, der Österreicher in dem Fall, vor Verlust der eigenen Identität. Alle politischen Parteien, sogar ein Teil der Wirtschaft, funktioniert über die Angst, über das Geschäft mit der Angst." Die FPÖ folgerte daraus: "Wenn wir das in Österreich zum Thema erheben, haben wir Sympathien, haben wir ein Wählerklientel, das zutiefst verunsichert ist".

Doch, selbst wenn die Strategie der Rechtspopulisten auch bei diesen Wahlen Erfolg haben sollte: Eine Koalition mit der FPÖ haben alle anderen Parteien ausgeschlossen.

Dass das BZÖ - sollte es den Sprung in den Nationalrat schaffen - als Partner ins Regierungsboot geholt wird, halten Beobachter ebenfalls für unwahrscheinlich, genauso wie eine baldige Wiedervereinigung der beiden rechten Parteien. Ausgeschlossen scheint dies zumindest so lange, wie die Führungskräfte Strache und Westenthaler heißen.

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