Österreich:Unbeständige Zeiten

Österreich: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat seit 2017 mehr als 60 Angelobungen vorgenommen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat seit 2017 mehr als 60 Angelobungen vorgenommen.

(Foto: Martin Juen/IMAGO/SEPA.Media)

In der türkis-grünen Bundesregierung wurden schon wieder Minister ausgetauscht. Wer behält da noch den Überblick? Höchste Zeit für einen deutsch-österreichischen Schlagabtausch.

Von Martin Zips

"Was ist denn bei euch los?", habe ich meinen Freund, den Leopoldstädter, gefragt. "Na, Regierungsumbildung halt", hat er gemeint. "Schon wieder?", habe ich gesagt.

"Ist doch ganz einfach, Deutscher", hat der Leopoldstädter mir erklärt. "Der neue Landwirtschaftsminister heißt jetzt Totschnig, der neue Digitalstaatssekretär Tursky und die Tourismusstaatssekretärin Kraus-Winkler. Außerdem erhält der Arbeitsminister Kocher die Wirtschaftsagenden mit hinzu." "Die was?", habe ich gefragt. "Leider konnte der Totschnig wegen Corona nicht zur Angelobung kommen. Deshalb bleibt jetzt erst mal die Köstinger im Amt." "Ach so", habe ich da gesagt, aber eigentlich habe ich nichts verstanden.

Der Leopoldstädter hat einfach weitergeredet: "Das Wirtschaftsministerium gibt jetzt den Digitalbereich ans Finanzministerium ab, und alles andere wird im Arbeitsressort fusioniert. Aber dass die Köstinger und die Schramböck jetzt gehen, das zeigt ja auch, dass der Einfluss von Kurz auf die Regierung schwindet, findest du nicht? Vielleicht mit Ausnahme von Raab, Edtstadler und Nehammer." "Kurz?", habe ich den Leopoldstädter unterbrochen, "war das nicht dieser Langhaarige, der die Glasbläserin aus Tirol geheiratet hat?" "Du meinst den Grasser, Deutscher! Du verstehst wirklich nichts von österreichischer Politik." "Ach, und der Langhaarige ist jetzt Bildungsminister?" Ich war mir nicht sicher.

Der Tierschutz liegt mehr Menschen am Herzen als der Kampf gegen Korruption

"Wo lebst du eigentlich?", hat mich der Leopoldstädter da angefahren. "Die Welt dreht sich doch auch in einer Wahldemokratie weiter. Und der Polaschek hat längst keine langen Haare mehr." Dann hat mir der Leopoldstädter noch erklärt, dass das Landwirtschaftsressort Telekom-Agenden ans Finanzministerium abgetreten hat und den Tourismus an das Wirtschaftsministerium, aber dafür bekommt das Jugendstaatssekretariat den Zivildienst. "Zivildienst", habe ich gemeint. "Schön. Was ist eigentlich aus eurem Antikorruptionsvolksbegehren geworden? Es wollten doch ganz viele unterschreiben, nicht?" Aber da hat der Leopoldstädter nur geseufzt. "Unterschrieben haben schon einige", hat er gesagt. "Aber leider nicht ganz so viele wie beim Tierschutz-Volksbegehren der FPÖ."

"Wie schade!", habe ich da mein Mitgefühl gezeigt, und der Leopoldstädter hat betont: "Im Gegensatz zu euch haben wir meist ganz frische Leute in der Regierung. Kneissl, Schallenberg, Mückstein... Mehr als 60 Angelobungen seit 2017, da steckt ja auch viel Energie drin!" "Ich mag eher das Beständige", habe ich gesagt. "Haben wir auch", meinte der Leopoldstädter. "Kardinal Schönborn!" Und dann hat er mich gefragt, was eigentlich die Merkel so macht. "Die ist in Turin, glaub ich", hab ich gesagt. "Da arbeitet ihr Ehemann. Seid ihr auch beim ESC mit dabei?" "Nein", hat der Leopoldstädter gesagt. "Wir sind zum dritten Mal in der Vorrunde ausgeschieden. Leider auch wieder bei der WM-Qualifikation. Aber wir fliegen trotzdem nach Katar. Öl-Deals machen."

"Gute Idee", habe ich da geantwortet. "So machen wir es auch." Und dann sind der Leopoldstädter und ich ein Bier trinken gegangen.

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