Bundespräsident Van der Bellen in Österreich:Schaut euch in die Augen, Gegner

Bundespräsident Van der Bellen in Österreich: Feierlich "angelobt": Bei der Vereidigung von Alexander Van der Bellen zum Staatspräsidenten bricht am Donnerstag Jubel aus.

Feierlich "angelobt": Bei der Vereidigung von Alexander Van der Bellen zum Staatspräsidenten bricht am Donnerstag Jubel aus.

(Foto: Alex Halda/AFP)

Bei seiner Vereidigung zum Bundespräsidenten hält Alexander Van der Bellen eine Rede, die die Abgeordneten von den Stühlen reißt. Nur ein politisches Lager rührt sich nicht.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Als der neu vereidigte Bundespräsident die Abgeordneten des österreichischen Nationalrats aufforderte, ihren Nachbarn zur Rechten oder Linken tief in die Augen zu schauen, brach in der Bundesversammlung in Wien für einen Moment Unruhe aus, gepaart mit ungläubigem Gelächter. Psychospielchen bei einer staatstragenden Rede? Alexander Van der Bellen, im vergangenen Oktober zum zweiten Mal zum Staatspräsidenten gewählt und am Donnerstagmorgen feierlich "angelobt", wie es in Österreich heißt, beruhigte sofort: Keine Sorge, er werde die Anwesenden nicht auffordern, einander an den Händen zu nehmen.

Aber er wolle um Respekt werben, für einen Umgang mit Anstand, selbst wenn man die Überzeugungen und Werte der Kollegen und Kolleginnen ablehne. Nicht alle, so Van der Bellen verschmitzt, könnten alle leiden, aber wenn man erwarte, dass die Bevölkerung miteinander auskomme, dann müsse man das auch von der Politik erwarten können.

Er versöhnte, verband, vereinigte

Der alte und neue Bundespräsident schaffte, was seit Langem keinem österreichischen Politiker mehr gelungen war: Er versöhnte, verband, vereinigte die politischen Lager, sodass ihm zum Schluss seiner Grundsatzrede im neu renovierten Parlament minutenlanger Jubel, Standing Ovations und Hurrarufe von fast allen Seiten entgegenschallten. Nur die FPÖ verweigerte Van der Bellen den Respekt; die freiheitlichen Abgeordneten applaudierten kein einziges Mal - weder als der Präsident dafür warb, die Klimakatastrophe endlich ernst zu nehmen, noch als er mehr Anstrengungen für die Gleichberechtigung einforderte, noch als er rief, die Gräuel und der Terror der NS-Zeit dürften sich niemals wiederholen.

Hintergrund dürfte unter anderem sein, dass Van der Bellen am Vorabend seiner Vereidigung in einem ORF-Interview gesagt hatte, er werde nach der nächsten Nationalratswahl der FPÖ, sollte sie stärkste Partei werden, nicht automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung geben. Offen ließ er, ob er Parteichef Herbert Kickl als Kanzler angeloben würde. Die rechtsextreme Partei liegt derzeit in Umfragen zwischen 26 und 28 Prozent und damit vor ÖVP und SPÖ. 2019, nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos, hatte Van der Bellen den damaligen Innenminister Kickl auf Drängen von Ex-Kanzler Sebastian Kurz entlassen und später gesagt, er habe sich oft gefragt, ob er ihn je hätte vereidigen sollen.

Der neue und alte Staatspräsident wurde ungewohnt deutlich

Der mittlerweile 79-jährige ehemalige Wirtschaftsprofessor und frühere Parteichef der Grünen war im Herbst 2022 wiedergewählt worden, wobei bis auf die FPÖ keine Parlamentspartei einen Gegenkandidaten aufgestellt hatte. Van der Bellen galt als zu populär, allerdings wurde ihm vorgehalten, sich zu den Korruptionsskandalen von FPÖ und ÖVP nicht ausreichend kritisch geäußert zu haben.

Bei seiner großen Rede vor etwa tausend Zuhörern wurde er nun ungewohnt deutlich. Er forderte eine ausreichende Finanzierung des seriösen Journalismus, er stichelte gegen Verschwörungsmythen und "alternative Fakten", er verurteilte - eindeutig und sehr emotional - den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Denn nicht einmal darüber gibt es im Parlament einen Konsens.

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