Wer jenseits der Grenze wohnt, sagen wir in München, betrachtet manche Dinge in Österreich eher als Kuriosum denn als echtes Problem. Dazu zählen die Machenschaften korrupter Politiker, das Wiener Gemüt und auch, dass so mancher deutscher Promi in den Großraum Kitzbühel wechselt - oder dort zumindest eine luxuriöse Immobilie kauft.
Vor ein paar Tagen wurde via Tiroler Tageszeitung beispielsweise publik, dass der deutsche Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann ein Anwesen in Fieberbrunn erworben hat. Natürlich darf jeder Bürgermeister stolz sein, so einen Kapazunder als Bürger begrüßen zu können. Genau das muss Nagelsmann nämlich werden, ein Gemeindebürger, weil er die Liegenschaft alleine als Hauptwohnsitz und nicht als Freizeitwohnsitz verwenden darf. Nur: Dass Nagelsmann seinen Lebensmittelpunkt wirklich nach Tirol verlagert, wollen nun ein paar lästige Oppositionspolitiker nicht so recht glauben. Und nur notorische Nörgler argwöhnen, dass er deshalb zum Zuge kam, weil er halt Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist. Wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, dass die Nagelsmänner dieser Welt in Österreich bevorzugt behandelt werden!
Warum auch aufregen? Längst bewiesen hat die Region ihre enorme Erfahrung mit betuchten Teilzeiteinwohnern und besonders betuchten Fußballern, welche die Landschaft mit herrlichem Betongold schmücken, dem Boden einen ganz neuen Wert geben und dabei noch als sehr ruhige, weil meist abwesende Nachbarn das Zusammenleben bereichern. Sicher hat der Bezirk Kitzbühel inzwischen sogar die weltweit größte Länderspieldichte pro Einwohner - und das in Österreich! Da sind doch Details, ob sich Einheimische das Wohnen noch leisten können und wie welche Immobilie nun genutzt werden darf, eher Nebensache. Bei Nagelsmann quasi ums Eck sicherte sich etwa DFB-Legende Oliver Bierhoff ein Grundstück, was alleine wegen des Promimalus als "umstritten" hingestellt wird. In Westendorf kaufte Bastian Schweinsteiger ein Haus mit Hauptwohnsitzwidmung, das er laut Medienberichten zwar nicht bewohnt, dies aber garantiert hundertprozentig schon bald mit seiner dann auch einwandfrei jodelnden Frau Ana tun wird. Vielleicht irgendwann jedenfalls.
Außerdem ist die Gegend bislang gut weggekommen. Denn gerade aus dem Nachbarland könnten noch ganz andere Fußballrentner rüberschwappen. Andreas Möller wäre nicht einmal als Regionsbotschafter geeignet ("Kitzbühel oder Kirchberg, Hauptsache Schweiz"), beim chronischen Choleriker Werner Lorant müssten sämtliche Jugendspiele weiträumig gesichert werden und beim hauptberuflich Frischvermählten Lothar Matthäus alle langhaarigen Tirolerinnen im heiratsfähigen Alter. Der gefährlich lange auf Entzug befindliche Konditionsbolzer Felix Magath, Kampfname "Quälix", ließe wiederum selbst die Menschen aus dem örtlichen Altenheim dreimal wöchentlich zum Hahnenkammrennen antreten - und zwar aufwärts. Und Jens Lehmann, ehemals Torhüter, würde Vorgärten zwischen dem Wilden Kaiser und den Hohen Tauern mit der Säge schneller zerhäckseln, als ein Mario Basler die Bars der Après-Ski-Szene zu leeren vermag.
Also, liebe Kritiker aus Tirol, ein bisschen mehr Dankbarkeit wäre schon angebracht.
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