Taylor Swift in Wien:Die akute Gefahr ist vorbei, doch das Problem der Radikalisierung junger Menschen im Netz bleibt.

Lesezeit: 2 Min.

Party statt Hass: Taylor-Swift-Fans in der Wiener Innenstadt. (Foto: Wolfgang Hauptmann/dpa)

Swifties verbreiten nach den Konzert-Absagen gute Stimmung in Wien, aber das Problem bleibt: die Radikalisierung von Jugendlichen via Internet.

Kolumne von Cathrin Kahlweit

Wenn es etwa Tröstliches gab in diesen Tagen, die viele Swifties untröstlich zurückließen, dann ist es die gute Stimmung, die von den überwiegend jungen Leuten nach der Absage der drei Konzerte in Wien verbreitet wurde. Sie waren unendlich enttäuscht, für viele wäre ein Abend mit ihrem Idol das Highlight des Jahres gewesen. Und doch wurde überall in der Stadt getanzt und gesungen.

Am Stephansplatz fand eine Flashmob-Party statt: Man kam, sah und feierte, trotz alledem. Die Cornelius-Straße wurde, für einen Tag, in Cornelia-Straße umgetauft – nach einem Song von Taylor Swift. Und die Stadt Wien minderte den Frust dadurch ein kleines bisschen, dass für alle Ticketinhaberinnen, wenn sie nun schon mal da sind, in vielen Einrichtungen der Eintritt frei ist: etwa in Freibädern und etlichen Museen. Hochkultur statt Popkultur. Wien ist schließlich nicht nur Taylor-Swift-Land.

Die Jugendlichen vernetzen sich aber nicht nur im Internet, sie radikalisieren sich auch im Internet. Die Täter, die offenbar einen Anschlag vor dem Ernst-Happel-Stadion planten, um „möglichst viele Ungläubige“ zu töten, sind 19 und 17, ein weiterer Teenager, der zumindest in Teilen informiert war (Details dazu hat die Polizei noch nicht mitgeteilt), ist 15 Jahre alt.

Immer häufiger sind es Jugendliche, fast Kinder, die radikalisiert, brutalisiert, manipuliert werden, um, wie es ebenfalls der 19-Jährige gesagt haben soll, „Großes“ zu tun. Vor gut einem Jahr gab es Anschlagspläne auf die Regenbogenparade in Wien, zu den Verdächtigen gehörten ein 14-Jähriger, ein 17-Jähriger und ein 20-Jähriger, die mit dem IS sympathisierten.

Auf Tiktok, Telegram, Insta und Facebook und vielen anderen Plattformen, auf die Sehgewohnheiten von jungen Menschen zugeschnitten, tummeln sich „Influencer Preacher“ mit Predigten und Werbevideos, die mit Alltagsfragen anfangen und mit Machetenmorden enden. Der Verfassungsschutz spricht von der „Tiktokisierung des Islamismus“.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat aufgelistet, welche Gefühle und Sehnsüchte in jungen Männern getriggert werden, die sich dem islamistischen Extremismus zuwenden: Lebenssinn, Identitätsstiftung, Gruppenzugehörigkeit, Action, Provokation, Abgrenzung, Hass. Wenn Eltern oder Nachbarn die äußerlichen Veränderungen, den sozialen Rückzug bemerken, ist es oft schon zu spät.

Die Propaganda erreicht bei Weitem nicht nur Menschen mit Wurzeln in der muslimisch geprägten Welt. Manchmal sei es, sagte ein Islamismus-Experte dem Standard, auch einfach nur der „Style, stark zu sein und andere in Furcht zu versetzen“.

Es gibt für diese Entwicklung keine leichten Antworten, keine schnellen Lösungen. Anlaufstellen für Eltern und Lehrer sind sinnvoll, aber nur ein Hilfsmittel. Der Staatsschutz kommt im Zweifel zu spät. Die Einhegung radikaler und extremistischer Pseudoinformationen, die – siehe Elon Musk – bisweilen von den Plattformbetreibern selbst verbreitet werden, ist bisher gescheitert und wird vermutlich weiter scheitern.

Man kann sich daher über die Swifties und ihre unbedingte Hingabe an einen 34-jährigen Superstar, an Glitzerkorsagen und Freundschaftsarmbänder lustig machen. Aber diese Fans machen, wie man in den vergangenen Tagen in Wien sehen konnte, die Welt ein bisschen schöner.

Diese Kolumne erscheint auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTaylor Swift in Österreich
:Mutmaßlicher Terrorist legt Geständnis ab

Er habe während eines Konzerts von Megastar Taylor Swift eine möglichst große Zahl an „Ungläubigen“ töten wollen – das erklärt einer der Terrorverdächtigen der Polizei. Die ermittelt nun gegen ein mögliches „Netzwerk“. Enttäuschte Swifties in Wien trösten sich gegenseitig.

Von Vivien Götz, Cathrin Kahlweit

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: