Österreichs Koalition aus ÖVP und FPÖ ist am Wochenende geplatzt, eine Neuwahl soll es im September geben - doch zwischen diesen beiden Eckdaten ringt das Land nun mit dem Übergang. In dem ihm eigenen Optimismus hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz zwar angekündigt, er werde die Arbeit "in Ruhe bis zur Wahl" fortsetzen. Doch daraus wird nichts werden. Denn erstens hat das gesamte politische Personal längst auf Wahlkampf umgeschaltet. Und zweitens war am Montag noch die nicht ganz unwichtige Frage zu klären: Wer regiert, bis es eine neue Regierung gibt?
Die erste Antwort darauf gibt am Morgen zunächst die neue FPÖ-Doppelspitze aus Infrastrukturminister Norbert Hofer, dem designierten Parteichef, und Innenminister Herbert Kickl. Zusammengefasst lautet ihre Botschaft: Wir würden ja gern noch in unseren Ämtern bleiben, mindestens bis zur Neuwahl, aber offenbar will der Kanzler uns herausdrängen.
Die zweite Antwort kommt dann am Mittag von Kanzler Kurz nach einer Sitzung des ÖVP-Parteivorstands: In der FPÖ, so klagt er, fehle das notwendige Bewusstsein für die Aufarbeitung des Video-Skandals. Besonders scharf kritisiert er dabei Innenminister Kickl. Doch wie es nun konkret weitergeht mit den Regierungsgeschäften, das sagt auch er noch nicht.
Ein zähes Ringen wird da sichtbar, ein Kampf hinter den Kulissen, in dessen Mittelpunkt gewiss nicht zufällig der kernige Innenminister Kickl geraten ist. Dessen Rückzug will Kurz offenbar erzwingen, dann könnten die anderen FPÖ-Ressortchefs vielleicht noch ein Weilchen weiterregieren. Doch für beide Seiten geht es dabei um mehr als nur um die Verlängerung der Amtsgeschäfte um ein paar letzte Monate. Es geht um die Deutungshoheit über das Vergangene und um die Aufstellung für die Zukunft.
Die FPÖ sieht ein abgekartetes Spiel
Dass Kurz nach dem Rückzug des FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache plötzlich Kickl auf dem Platz des Innenministers zur Persona non grata erklärte, hat die FPÖ offenbar zunächst kalt erwischt. Kurz hat das damit begründet, dass nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos nun Ermittlungen beginnen müssten, ob Strache und sein Gefährte Johann Gudenus bei ihrem Austausch mit einer angeblichen russischen Oligarchin auch strafrechtlich belangt werden können.
Und unter anderem ging es in dem Gespräch im Juli 2017 um mögliche verdeckte Parteispenden - und davon könnte dann auch Kickl gewusst haben, der zu dieser Zeit Generalsekretär der FPÖ war. Kurz hat daraus den Schluss gezogen, dass Kickl als "jetziger Innenminister nicht gegen sich selbst ermitteln kann".
Die FPÖ sieht darin jedoch ein abgekartetes Spiel zur Schwächung und Spaltung ihrer Partei - und hat sofort die Linie vorgegeben, dass sich bei einem Rauswurf Kickls alle FPÖ-Minister aus dem Kabinett zurückziehen würden. Denn ein Angriff auf Kickl wird als Angriff auf den Kern der FPÖ verstanden.