Österreich:Aus schwindelnder Höhe

  • Nach dem Absturz der FPÖ bei der österreichischen Nationalratswahl hat Ex-FPÖ-Chef Strache erklärt, seine Parteimitgliedschaft ruhen zu lassen und seine politische Karriere zu beenden.
  • Neben der Ibiza-Affäre schadete Strache vor allem eine Parteispesen-Affäre.
  • Zuletzt hatten auch hohe FPÖ-Funktionäre öffentlich seinen Parteiausschluss gefordert.

Von Peter Münch, Wien

Für seinen womöglich letzten großen Auftritt hat sich Heinz-Christian Strache ein schickes Weinlokal ausgesucht, gleich ums Eck von der FPÖ-Zentrale in der Wiener Innenstadt. Ledersitze, volle Flaschen an den Wänden, drangvolle Enge in einer Gaststube voller Kameras: In diesem Ambiente verkündet der frühere Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs am Dienstagmorgen, dass er "schweren Herzens" seine Mitgliedschaft in der Partei "ruhend stellen" werde. "Mit dem heutigen Tag werde ich auch jegliche politische Aktivität einstellen und kein Amt und keine Funktion mehr anstreben", erklärt er. Es ist das Ende einer Ära - und womöglich der Beginn neuer Turbulenzen und eines Richtungsstreits in der FPÖ.

Mit seinem kurzfristig anberaumten Auftritt im "Vino Wien" hat Strache die Reißleine gezogen, wenige Stunden bevor in der österreichischen Hauptstadt der Parteivorstand der FPÖ zusammenkam. Parteichef Norbert Hofer hat dann am Abend, der Form halber und um selbst ein Zeichen zu setzen, Straches Mitgliedschaft noch einmal offiziell suspendiert. Seit der Nationalratswahl am Sonntag, die den Freiheitlichen einen Absturz um zehn Prozentpunkte auf nur noch 16,1 Prozent bescherte, hatte sich das Rumoren gegen den alten Chef gerichtet. Selbst auf seiner Facebook-Seite hatte sich ein Shitstorm über Strache entladen.

Strache ist zur untragbaren Belastung für seine Partei geworden

Es ist also ein Ausstieg in auswegloser Lage. Nach dem Ibiza-Skandal, der Strache alle Ämter kostete, gewährte ihm die Partei noch viereinhalb Monate Deckung. Doch der Dank dafür, dass er in 14 Jahren an der Spitze die FPÖ wieder groß gemacht und bis in die Regierung geführt hatte, war spätestens dann aufgebraucht, als öffentlich bekannt wurde, dass er mutmaßlich auf Parteispesen ein prunkvolles Leben als freiheitlicher Großwesir geführt hat. Daraus lässt sich keine Verschwörungstheorie mehr stricken, das ist der Basis nicht mehr zu vermitteln, und so ist Strache zur untragbaren Belastung für die Partei geworden.

Befreit von dieser Last ist in der FPÖ nun überall die Parole vom Neuanfang zu hören. Doch der birgt noch zahlreiche Risiken. Eines davon hat unmittelbar vor Straches Auftritt die Gemüter bewegt, als die Registrierung einer Internetadresse namens "liste-strache.at" bekannt und dies als Indiz für mögliche Comebackpläne gedeutet wurde. Wer dahintersteckt, blieb jedoch unbekannt, und Strache scheint seinen Nachfolgern zumindest fürs Erste die Wiederbelebung eines alten Traumas zu ersparen. "Eine Zerreißprobe und eine Spaltung der FPÖ will ich um jeden Preis verhindern", sagt er und bekennt sich gleich mehrfach zur "freiheitlichen Familie". Im Klartext heißt das: Den Haider macht er jetzt nicht. Sein Vorgänger Jörg Haider nämlich hatte die FPÖ 2005 mit der Gründung einer eigenen Partei namens Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) in zwei Teile zerlegt.

Für die FPÖ wiederholt sich dennoch die Geschichte, dass genau jene Männer, die sie in schwindelnde Höhen führen, höchstselbst für den Absturz sorgen. FPÖ-Strategen wie Andreas Mölzer fordern deshalb nun grundlegende Veränderungen: "Weniger Personenkult, weniger Populismus, mehr sachliche Politik", sagte Mölzer der Süddeutschen Zeitung.

Die FPÖ will sich für neue Wählerschichten öffnen

Mölzer, 66, hat kein Amt mehr inne, wird aber vom neuen Parteichef Hofer als "Vordenker" gelobt. Hofer selbst fordert schlagwortartig "moderne Freiheitliche 4.0". Auf dem Parteitag in Graz, bei dem er jüngst mit 98,25 ins Amt gewählt wurde, hat er erkennen lassen, dass er die FPÖ für neue Wählerschichten öffnen will - konkret fürs bürgerliche, urbane und studentische Milieu. In die gleiche Richtung strebt Manfred Haimbuchner, der seit 2011 stellvertretender FPÖ-Bundesvorsitzender ist und in Oberösterreich als Landeshauptmann-Stellvertreter, also Vizeregierungschef amtiert. Nach Straches Rücktritt, so sagte er der SZ, sei "der Weg frei für eine Entwicklung zu einer weniger schrillen und seriösen Rechtspartei".

Weniger schrill? Weniger Populismus? Einem kernigen Freiheitlichen wie Herbert Kickl, der nun als Fraktionschef nominiert wurde, dürfte das fast als Kapitulation erscheinen. Im Wahlkampf hatte er noch jedes Festzelt zum Johlen gebracht, wenn er den politischen Gegnern einen "rechten Haken" oder einen "Schlag aufs Hosentürl" androhte. Flüchtlinge diffamiert er gern pauschal als "Asylbetrüger", und seinen Auftrag sieht er ganz grundsätzlich im Aufräumen. Wer Kickl hört, der weiß, dass der Populismus gleichsam zur DNA der FPÖ gehört.

Der Kurs der Partei dürfte also nach Straches Ende noch heftige Debatten verursachen. Der mit 50 Jahren abgetretene und zugleich abservierte Patriarch wird das vom Seitenaus verfolgen. Zum Abschluss wünscht er allerseits noch einen schönen Tag. "Man wird sich vielleicht privat irgendwo wiedersehen."

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Österreich
:FPÖ suspendiert Strache

Der ehemalige Parteichef verliert damit alle Mitgliedsrechte, bis die Spesenaffäre aufgeklärt ist. Strache selbst hatte am Morgen seinen Rückzug aus der Politik verkündet und gesagt, dass er seine FPÖ-Mitgliedschaft vorerst ruhen lassen werde.

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