MeinungÖsterreich:Wie die Regierung in der Steiermark den Nachbarn Slowenien provoziert

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Kolumne von Tobias Zick

Lesezeit: 2 Min.

Kann die Aufregung offenbar nicht verstehen: Steiermarks Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) . Von Gebietsforderungen an Slowenien könne keine Rede sein, sagt er.
Kann die Aufregung offenbar nicht verstehen: Steiermarks Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) . Von Gebietsforderungen an Slowenien könne keine Rede sein, sagt er. (Foto: Foto: Heinz-Peter Bader/Reuters)

Die FPÖ-geführte Regierung in der Steiermark verärgert Slowenien mit einer rückwärtsgewandten Hymne. Kann Andreas Gabalier helfen?

Wer das Dachsteinlied noch nicht kennt, die seit 1929 offizielle Landeshymne der Steiermark, bekommt wie so oft verlässlich Ab- beziehungsweise Nachhilfe auf Youtube. In diesem Fall sogar von ganz oben; vom Großmeister des Lederhosen-Rock persönlich. Man kann also Andreas Gabalier dabei zuschauen und zuhören, wie er weit oberhalb der Baumgrenze auf einem windigen Gipfel steht, das Akkordeon fest im Griff. Wie genau er samt Instrument dort hinaufgelangt ist, wird nicht unmittelbar ersichtlich; konstatieren lässt sich allenfalls, dass er mit sehr frischem Trachtenhemd und tadellos rückwärtsgewandter Frisur posiert, während er die Ode an „dieses schöne Land“ in die klare Bergluft schmettert. Sogar der „Aar“, also der Adler, erweist sich als textsicher und reckt seinen Schnabel just in dem Moment ins Bild, als er per Liedzeile aufgerufen wird.

Normalerweise sollte ein derartiges Spektakel in der alpinen Einsamkeit dort oben ja niemanden stören, aber wer weiß: Wenn der Wind aus nördlicher Richtung kommt, werden möglicherweise einige der aus den 1840er-Jahren stammenden Textzeilen über die Grenze geweht, die es seinerzeit noch nicht gab, ins heutige Nachbarland Slowenien nämlich. Und dort hört man es nur mit gedämpftem Vergnügen, wenn jemand reimt, der Steirer „liebes, teures Heimatland“ reiche „bis zum Wendenland am Bett der Sav“. Die Save nämlich fließt nicht durchs heutige österreichische Bundesland Steiermark, sondern – bereits seit 1919 – durch die slowenische Štajerska. Und „Wenden“ oder auch „Windische“ genannt zu werden, empfinden heute viele der Menschen dort als mindestens antiquiert, wenn nicht als abwertend.

Man könnte dieses Festhalten an einer Hymne mit veralteten Ortsangaben als Folklore abtun, als irgendwie ein bisschen gestrige, aber letztlich unpolitische Liebeserklärung an die zeit- und grenzenlose Schönheit von Landschaft und Lebensart. Die FPÖ-ÖVP-Landesregierung der Steiermark tut das Gegenteil: Sie lädt das Lied zusätzlich mit politischer Bedeutungsschwere auf. Sie plant nämlich, den Status des Dachsteinlieds als steirische Hymne in die Landesverfassung zu schreiben. Und schreckt damit die südlichen Nachbarn auf: Die slowenische Regierung fürchtet, ein solcher Schritt könnte in ihrem Land als offizielle Gebietsforderung aufgefasst werden. Die übers vergangene Jahrhundert mühevoll aufgebaute gute Nachbarschaft ist schon jetzt belastet.

Von Gebietsforderung könne keine Rede sein, erwidert Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ), es gehe eher um einen symbolischen Akt, und man wolle ja den Text des Liedes auch gar nicht in die Verfassung schreiben.

Nun gut, wenn das so ist, kann man den Text ja weglassen und bloß die Melodie summen. Oder aber die zur europäischen Hymne gewordene „Ode an die Freude“ in die Bergluft schmettern. „Freude, schöner Götterfunken“ – zu so einem Jauchzer lädt die wunderschöne Landschaft, egal auf welcher Seite der Grenze, ja nun wirklich ein. Andreas Gabalier, übernehmen Sie!

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Von Tobias Zick

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