Süddeutsche Zeitung

Prozess in Österreich:Die wirre Welt der Monika U.

  • 14 sogenannte "Staatsverweigerer" mussten sich in Österreich vor Gericht verantworten.
  • Monika U., selbsternannte "Präsidentin" und Anführerin der Gruppe, wurde wegen versuchter Anstiftung zum Hochverrat und Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung zu 14 Jahren Haft verurteilt.
  • Der Prozess legte die krude Gedankenwelt der Verschwörungstheoretiker offen.

Von Oliver Das Gupta, Salzburg

In Graz ging am Freitag ein besonderer Prozess zu Ende. Am Landgericht der steirischen Hauptstadt ergingen die Urteile gegen 14 sogenannte "Staatsverweigerer", Menschen, die die Republik Österreich nicht anerkennen. Die Hauptangeklagte Monika U. - selbsternannte "Präsidentin des Staatenbundes" - wurde in allen 34 Punkten für schuldig befunden, die ihr vorgeworfen wurden. Darunter sticht ein Delikt heraus: "Anstiftung zum Hochverrat".

"Hochverrat" ist an österreichischen Gerichten seit Kriegsende eigentlich kein Thema gewesen, im politischen Diskurs durchaus schon: 1947 schrieb eine kommunistische Zeitung - ebenfalls in Graz - "vier faschistische Hochverräter" seien freigesprochen worden. Die Teenager waren wegen Hakenkreuzschmierereien und nächtlichen Treffen in einem Luftschutzbunker vor Gericht gestanden. 2006 warf FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seinem gewesenen Vorbild und ehemaligen Parteifreund Jörg Haider "Hochverrat" vor. Und das nur, weil der Kärntner Landeshauptmann endlich zweisprachige Ortsschilder dort zugelassen hatte, wo es einen nennenswerten slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil gibt.

Was in Österreich tatsächlich unter Hochverrat zu verstehen ist, findet sich im Strafgesetzbuch unter dem Paragraphen 242. "Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen", steht dort geschrieben, und: "Ein Unternehmen (...) liegt auch schon bei einem Versuch vor."

Und die Versuche, die die Hauptangeklagte mit ihren Gesinnungsgenossen unternommen hat, hatten es in sich: Sie planten in Österreich einen Staatsstreich und wollten die demokratisch legitimierte Staatsführung durch das österreichische Bundesheer festsetzen lassen. Die "Präsidentin" hatte bereits eigens "Haftbefehle" angefertigt und an die Armeeführung verschickt. Als weitere Variante der Machterlangung wollte die 42-Jährige Moskau um Hilfe bitten: In einen Brief an Kremlchef Wladimir Putin suchte sie um eine Invasion der russischen Armee in Österreich an. Anschließend wollte sie selbst eine Regierung bilden und Staatsoberhaupt werden.

Die krude Weltsicht, die sich die Angeklagten zusammengezimmert hatten, ähnelt der der deutschen "Reichsbürger": Das demokratische Gemeinwesen wird nicht anerkannt, ebenso wenig wie staatliche Institutionen und Gesetze. Für die "Präsidentin" handelt es sich bei der Republik Österreich mit ihren Behörden lediglich um eine Firma mit Unterfirmen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden. Im Hintergrund sieht Monika U. dunkle Mächte am Werk: "Die Banken, der Vatikan, Washington, die jüdische Familie Rothschild oder die Freimaurer", schreibt der Kurier. Es ist eine Vorstellungswelt, die für Verschwörungstheoretiker typisch ist.

Monika U. hat sich an die praktische Umsetzung dieser wirren Vorstellungen gemacht. Ihr "Staatenbund" finanzierte sich unter anderem durch Fantasieurkunden. Angeboten wurden Autokennzeichen, Gewerbescheine und Landbucheintragungen. Allein die Hauptangeklagte soll so auf mehr als 40 000 Euro gekommen sein. Den Käufern wurde versichert, dass sie mit dem Erwerb die bisherige Kfz-Haftpflicht, Steuerabgaben und dergleichen nicht mehr leisten müssen. Viele meldeten ihre Autos ab und gaben den echten Gewerbeschein zurück, wie der Prozess zum Vorschein brachte.

Etwa 2700 Anhänger hat der Staatenbund in Österreich, die Zahl der deutschen "Reichsbürger" wird auf 18 000 geschätzt. Wie sehr die deutsche Szene in das südliche Nachbarland hineinwirkt, wurde im Grazer Prozess deutlich. Die "Präsidentin" hatte Erfahrungen bei "Reichsbürgern" gesammelt und setzte deren Ideen teilweise in Österreich um. Die Staatenbund-Chefin soll aus einfachen Verhältnissen stammen, der Kurier schreibt, dass sie zwischenzeitlich FPÖ-Mitglied war. Aber dann war die Partei der Frau offensichtlich zu wenig radikal.

Vor Gericht erklärte U., einen Staat von "Menschen aus Fleisch und Blut" gründen zu wollen. Die Verteidigung plädierte darauf, die Pläne der Angeklagten nur als "groben Unfug, aber nicht gefährlich" einzustufen. Die Staatsanwaltschaft sprach hingegen von "Mord am Rechtsstaat". Das Gericht nahm die Pläne der Angeklagten, die meisten von ihnen Arbeitslose oder Rentner, ernst und befand alle für schuldfähig. "Dass bestimmte Dinge irrsinnig wirken, ist strafrechtlich irrelevant", sagte eine Sprecherin des Gerichts.

30 Tage wurde vor Gericht verhandelt, und das unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Dann fielen die Urteile: Die "Präsidentin" erhielt 14 Jahre Haft ohne Bewährung wegen versuchter Anstiftung zum Hochverrat und Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung. Ein weiterer Hauptangeklagter, der früher Gendarm war und sich als Beschützer der "Präsidentin" sieht, muss für zehn Jahre ins Gefängnis. Die anderen zwölf Angeklagten erhielten Haftstrafen von neun Monaten bis drei Jahren.

Die Hauptangeklagte, eine oft lächelnde Frau mit schulterlangen dunkelblonden Haaren, protestierte gegen den Schuldspruch. "Es handelt sich hier um Völkermord", rief Monika U. und kündigte "absoluten Widerspruch" gegen das Urteil ein. Sie verweigert dem Gericht offenbar nach wie vor die Anerkennung.

Ihre bisherigen Anhänger waren da schon vorsichtiger. Schon während des Verfahrens hatten einige der Angeklagten Zweifel an der wirren Ideologie gezeigt und teilweise kooperiert. Nach den bisher noch nicht rechtskräftigen Richtersprüchen zeigten denn auch viele der mit milderen Strafen bedachten bisherigen "Staatsverweigerer" entsprechend mehr Erdung. Die meisten wollten ein paar Tage überlegen, ob sie in Revision gehen oder nicht. Und einer nahm sofort das Urteil an.

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