Österreich:"Ein Lebenstraum erfüllt"

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Ein Dank an seine Wähler: Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann des Burgenlandes, und seit diesem Wochenende Vorsitzender der SPÖ. (Foto: GEORG HOCHMUTH/AFP)

In einer denkbar knappen Abstimmung wird Hans Peter Doskozil zum neuen Chef der österreichischen Sozialdemokraten gewählt. Nun muss er sich behaupten in einer schwierigen Situation: Die Umfragewerte sind schlecht, die Partei ist gespalten.

Von Cathrin Kahlweit, Linz

Als die mehr als 600 Delegierten im Design Center in Linz am Ende des Sonderparteitages die "Internationale" anstimmten, konnte man in der ersten Reihe, also dort, wo die Parteiprominenz saß, viele sehr angespannte Gesichter sehen. Für viele Genossen ist das gemeinsame Absingen des historischen Arbeiterliedes eine Pein: Manche kennen den Text nicht. Manche halten diese Tradition in einer modernen Partei für anachronistisch. Und viele finden die Textzeilen verlogen: "Wir sind die stärkste der Partei'n. (...) Diese Welt muss unser sein." Denn die österreichische Sozialdemokratie schwächelt; in Umfragen liegt sie bei 23 Prozent, mithin gleichauf mit der von Korruptionsermittlungen geplagten ÖVP - und immerhin sechs Punkte hinter den Rechtspopulisten von der FPÖ.

Aber diesmal war es nicht die Musik, es war das Wahlergebnis, das die Misstöne hervorbrachte. Die SPÖ hatte gerade einen neuen Vorsitzenden gewählt. Und während der unterlegene Bewerber, der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler, nach einem fulminanten Wahlkampf und einer engagierten Rede äußerlich gefasst reagierte, war an den Mienen vieler seiner Unterstützer bereits abzulesen, dass die erhoffte Befriedung der Partei schwierig werden dürfte. Das Lager um den mächtigen Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, aber auch viele linke Sozialdemokraten machten aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl: der Sieger, der Neue - er war nicht ihr Neuer. Und es ist fraglich, ob er es jemals sein wird.

Ein Mann indes sah sehr erfreut aus: Hans Peter Doskozil. Der Landeshauptmann des Burgenlandes hatte sich schließlich gerade, wie er zuvor in seiner Dankesrede gesagt hatte, einen "Lebenstraum erfüllt", er war in einer denkbar knappen Abstimmung, mit 53 gegen 47 Prozent der Stimmen, zum neuen Chef der SPÖ gewählt worden. Doskozil sieht sich nach schweren Verwerfungen am Ziel seiner Wünsche. Er hatte über Monate, ja Jahre die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner attackiert und der Parteiführung Unvermögen attestiert; nur er selbst, hatte er Mal um Mal wissen lassen, könne die FPÖ einhegen, er könne Wahlen gewinnen.

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In diesem Frühjahr hatte die Partei schließlich eine Mitgliederbefragung anberaumt, aus der Doskozil als Erster, der Parteilinke Babler als Zweiter und die bisherige Vorsitzende Rendi-Wagner als Letzte hervorgingen. Das Ergebnis war, mit jeweils etwa einem Drittel der Mitgliederstimmen, denkbar knapp. Rendi-Wagner warf hin, Babler trat, obwohl Zweitplatzierter, zu einer Kampfabstimmung auf dem Sonderparteitag an. Sein Ergebnis kann sich sehen lassen, und seine Anhänger sind sich sicher, dass der 50-Jährige, der sich in wenigen Monaten von einem unbekannten Lokalpolitiker zu einem Hoffnungsträger der Linken, der Gewerkschaften und der Sozialistischen Jugend entwickelt hat, noch einiges vorhat in der Partei. Mit, gegen oder ohne Doskozil.

Der neue Chef der SPÖ hat eine Kehlkopferkrankung. Abhalten lassen hat er sich davon nicht

Der muss nun liefern. Der Polizist, Jurist und ehemalige Verteidigungsminister gilt als geschickter Stratege und als Macher, politisch steht er in der Migrationspolitik rechts, in der Sozialpolitik für einen starken und fürsorglichen Staat. Er muss nun nicht nur die Parteizentrale neu aufbauen und besetzen, sondern sich auch ohne einen Sitz im Nationalrat Gehör als Oppositionspolitiker verschaffen. Und er wird jene Teile der Partei für sich gewinnen müssen, denen der selbstbewusste Burgenländer als Intrigant und Nestbeschmutzer gilt. Und dann ist da noch, im Wortsinn, seine Stimme: Doskozil ringt seit Jahren mit einer Kehlkopferkrankung, weshalb er nur leise und angestrengt sprechen kann; auf dem Sonderparteitag am vergangenen Samstag machte er das selbst zum Thema: Er könne zwar nicht ausschließen, dass er noch das eine oder andere Mal operiert werden müsse. Aber er könne versichern, dass ihm die Stimme nicht versagen werde.

Wenn es gelingen sollte, kündigte er weiter an, die SPÖ wieder zur Nummer eins zu machen, dann werde es auf Bundeseben keine Koalition mit der FPÖ geben, und auch keine mit der ÖVP. Dem Burgenländer schwebt eine Ampel mit den Grünen und den liberalen Neos vor. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn derzeit kämpfen Österreichs Sozialdemokraten nicht um Platz eins in den Umfragen, sondern gegen zwei, vielleicht drei politische feindliche Lager in der eigenen Organisation.

Die Ankündigung eines Lagerwahlkampfs stieß in Teilen der eigenen Partei, aber auch in Österreichs Medien auf Skepsis. Eine Absage an eine Zusammenarbeit mit der ÖVP werde die SPÖ wohl kaum durchhalten, hieß es, zumal der Burgenländer eigentlich ein eingefleischter Großkoalitionär sei. Die Konservativen reagierten entsprechend pikiert. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker reagierte mit dem Vorwurf, Doskozils Mission sei "nicht nur maximal undemokratisch", sondern zeige auch eines deutlich: Doskozil strebe um jeden Preis eine Linkskoalition an, die "verheerend für unser Land" wäre. Die Christdemokraten haben derzeit erkennbar andere Präferenzen: Mit der Vereidigung am 14. Juni wird Österreich nicht nur in Nieder- und Oberösterreich, sondern dann auch noch in Salzburg von einer schwarz-blauen Koalition aus ÖVP und FPÖ regiert.

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