Es ist schon eine sehr österreichische Sache, wenn in einem Untersuchungsausschuss, der sich mit Korruption in der ÖVP beschäftigt, ausgerechnet ein Politiker den Vorsitz führt, der erstens ÖVP-Mitglied und zweitens alles andere als zimperlich ist. Und drittens seit dieser Woche auch noch selbst als Beschuldigter in einem Verfahren wegen Amtsmissbrauch geführt wird.
Die Rede ist natürlich von Wolfgang Sobotka, 66 Jahre alt und seit 40 Jahren für die Volkspartei politisch aktiv. Immer wieder wird dem machtbewussten Niederösterreicher vorgeworfen, er überschreite bewusst Grenzen. In Erinnerung ist vor allem geblieben, wie er mit unrühmlichen Methoden dem türkisen Wunderwuzzi Sebastian Kurz dabei half, Partei und Kanzleramt zu übernehmen, indem er kontinuierlich Zwietracht in der damals regierenden Koalition von SPÖ und ÖVP säte. Der 2017 geschasste ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner schrieb später über Sobotka, er habe als "Zerstörer" und "Sprengmeister" der damaligen Regierung fungiert. Nach den Neuwahlen 2017 bedankte sich der gefeierte Wahlsieger Kurz bei Sobotka - und machte ihn zum Nationalratspräsidenten. Kurz ist mittlerweile Geschichte, Sobotka ist aber immer noch in der zweitranghöchsten Position, die die Republik zu vergeben hat. Qua Amt führt Sobotka den Vorsitz beim seit Anfang März tagenden ÖVP-U-Ausschuss. Damit leitet er das Gremium, das mutmaßliche Korruption in der Amtszeit von Kurz aufarbeiten soll. Klingt nicht nur absurd, ist es auch.
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Sobotka sagt, man wolle ihn einmal mehr diskreditieren
Schon im vorangegangenen U-Ausschuss - der sich um das Ibiza-Video drehte und damit nicht nur Verwerfungen bei der ÖVP, sondern auch bei der FPÖ abarbeitete - wurde Sobotka immer wieder der Parteilichkeit bezichtigt. Er könne nicht Vorsitzender, Zeuge (ja, kein Schmäh, er musste wirklich auch selbst aussagen) und ÖVP-Beschützer in einem sein. Der Nationalratspräsident selbst sieht das nicht so wie seine Kritiker. Ein Rücktritt ist heute wie damals für ihn ausgeschlossen.
Diesmal aber wird es gefährlich eng für Sobotka, denn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt ihn nun als Beschuldigten. Der Vorwurf lautet Amtsmissbrauch bei einer Postenbesetzung im Jahr 2017. Er soll damals als ÖVP-Innenminister die Bestellung einer SPÖ-nahen Wiener Vizelandespolizeidirektorin verhindert haben. Wir wären nicht in Österreich, wenn nicht auch diese Causa durch Handychats ihren Weg ans Licht gefunden hätte. Sobotka soll in einer der Nachrichten gefragt haben, was davon zu halten ist, die Personalie gewähren zu lassen und sich dafür vom damaligen Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) einen Wunsch erfüllen zu lassen.
Sobotka weist die Vorwürfe zurück, man wolle ihn einmal mehr diskreditieren. Die Nachricht platzte mitten in eine Sitzung an diesem Mittwoch, was den Nationalratspräsidenten zwang, nach wenigen Minuten den Vorsitz abzugeben. Die Opposition fordert nun, dass es dabeibleibe: Ein ÖVP-Politiker, gegen den wegen Korruption ermittelt wird, könne keinem Korruptions-U-Ausschuss vorsitzen.
Tatsächlich ist das selbst für Wolfgang Sobotka fast eine Metaebene zu viel.
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