Österreich-Wahl:Falsches Vorbild

Parliamentary election in Austria

So sieht ein Sieger aus: Sebastian Kurz nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse.

(Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Sebastian Kurz hat eine darniederliegende ÖVP zu neuen Höhen geführt. Kennt der Mann die Antwort auf die allgemeine Krise der Volksparteien?

Kommentar von Peter Münch, Wien

Österreichs Bürger bekommen ihren Kanzler zurück. Sebastian Kurz war nur kurz weg, nun kehrt er mit einem weit besseren Ergebnis als anno 2017 zurück ins Zentrum der Wiener Macht. Nach diesem Wahlsieg strahlt sein Stern so hell, dass daneben nicht nur die politische Konkurrenz im Heimatland verblasst. Weit über Österreichs Grenzen hinaus wird auf diesen Gewinner geschaut. Denn er hat ein Kunststück vollbracht, an dem sich andere gewiss gern ein Beispiel nehmen würden: Er hat seine fast schon am Boden liegende ÖVP im Handumdrehen zu neuen Höhen geführt. Die Frage also lautet: Kennt Sebastian Kurz die Antwort auf die allgemeine Krise der Volksparteien?

Wenn von Kurz lernen siegen lernen heißt, lohnt es sich also, das Rezept seines Erfolgs näher zu beleuchten. Beginnen muss man dabei mit den Zahlen, denn Zahlen lügen nicht: Als Kurz 2017 die Volkspartei übernahm, rangierte diese in den Umfragen mit etwa 20 Prozent Zustimmung auf Platz drei hinter FPÖ und SPÖ. Wenige Monate später fuhr er bei der Parlamentswahl bereits den Sieg ein mit 31,5 Prozent der Stimmen. Abgesackt ist er seither in den Umfragen nie, und nun hat er bei der vorgezogenen Nationalratswahl noch einmal kräftig zugelegt auf 37,1 Prozent. Das ist ein Ergebnis wie aus den guten alten Zeiten der Volksparteien.

Zu diesem Erfolg mögen auch ein paar aktuelle Gründe beigetragen haben: Die FPÖ frönt wieder ihrem Hang zur eigenen Demontage, die SPÖ genügt sich immer noch selbst. Doch vor allem ist dies ein Sieg der Marke Kurz, und zur Vermarktung gehört zuerst einmal ein politik-handwerklich perfekt umgesetztes Konzept, bei dem sich Kurz und sein Team als Meister der Zeitgeist-Deutung erweisen.

Dass Kurz die "Neue Volkspartei" von Schwarz auf Türkis umgefärbt hat, ist mehr als bloße politische Kosmetik. Dass er den traditionell schwerfälligen Parteiapparat als "Bewegung" bezeichnet, geht über den euphemistischen Anschein hinaus. Kurz hat damit die Partei weitgehend auf sich allein ausgerichtet. In der neuen Volkspartei, die als "Liste Sebastian Kurz" auf dem Wahlzettel stand, hat die Person längst das Programm ersetzt.

Garant des Erfolgs ist dabei die Kommunikationsstrategie. Kurz setzt die Themen, und er lenkt die Themen - und wenn er irgendwas nicht lenken kann, dann lenkt er davon ab. Message Control heißt das in der PR-Sprache, und als ideales Werkzeug dienen die sozialen Medien. Wie erfolgreich diese Echokammern wirken, hat der jüngste Wahlkampf gezeigt, in dem die ÖVP immer wieder in die Defensive geraten ist: Erst ging es um das geheimnisvolle Schreddern von Festplatten aus dem Kanzleramt, dann um vertuschte Großspenden und Schuldenberge, schließlich um potenziell imageschädigende Berichte über die Nutzung eines Privatjets, kostspielige Partys und hohe Friseurrechnungen. All das hat über längere Strecken die Schlagzeilen dominiert in diesem Wahlkampf - und es hat offenbar keinerlei Wirkung gehabt auf die Wähler.

Kurz' Programm: ein Wellness-Angebot an die Wähler

So viel zum Handwerk, nun zum Programm: Da ist Kurz aus Prinzip schwer zu fassen. Zwar hat er jüngst bekannt, dass er eine "ordentliche Mitte-rechts-Politik" präferiert, doch inhaltlich definiert hat er das nur so weit, dass es eine Politik ohne "Grauslichkeiten" sein soll. Zuvörderst geht es um ein Wellness-Angebot an die Wähler, und das wird dankbar angenommen. Die Umsetzung der Versprechen tritt allerdings schnell hinter das zweite Kurz'sche Prinzip zurück: Ständig wird Aufbruchstimmung erzeugt.

Die Konstante also ist die Veränderung, und das lässt sich nicht zuletzt an der Partnerwahl ablesen: 2017 beendete Kurz als frisch gewählter ÖVP-Chef die Koalition mit der SPÖ und suchte sein Heil in einer Neuwahl und anschließender Koalition mit der FPÖ. Auslöser für deren Ende nach anderthalb Jahren war der Ibiza-Skandal, an dem Kurz keine Schuld trifft. Doch die Bruchlinien dieses Bündnisses waren schon vorher deutlich geworden. Kurz hat das selbst zugegeben, als er zum Abschied von der FPÖ erklärte: "Genug ist genug." Nun könnte ihm die neue Wahl als frischen Partner die Grünen bringen. Die dürften sich vorab allerdings nicht nur Gedanken darüber machen, wie die inhaltlichen Differenzen zu überbrücken sind. Sie werden sich auch fragen, wie lange ein solches Bündnis halten kann.

Wer sich also in Berlin oder anderswo beeindruckt von den Zahlen den österreichischen Weg zum Vorbild nehmen will, der sollte daran denken, dass Kurz bislang nur auf der Kurzstrecke Erfolg gehabt hat. Den Beweis, dass sein Politikstil auch langfristig funktioniert, ist er bisher schuldig geblieben.

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