Süddeutsche Zeitung

Konservative in Österreich:Kurz mal 99,44 Prozent

Niemand hat bezweifelt, dass Sebastian Kurz als ÖVP-Parteichef bestätigt werden wird - und so kommt es dann auch. Der Kanzler hält eine launige, inhaltlich dünne Rede und die Partei beschließt einen Leitantrag ohne jedwede Debatte.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Niemand im Veranstaltungszentrum VAZ in St. Pölten hatte den geringsten Zweifel daran, dass Sebastian Kurz auf dem 39. Bundesparteitag der ÖVP mit hervorragendem Ergebnis wiedergewählt würde. 98,7 Prozentpunkte hatte er 2017 geschafft, diesmal hofften viele auf knapp hundert. Es wurden dann 99,44 - ein riesiger Erfolg für den Konservativen, der am Freitag 35 Jahre alt geworden war. Kurz bedankte sich für den großen Rückhalt.

Der Parteivorsitzende war unter großem Jubel der etwa 1300 Gäste, darunter etwa 500 Delegierte, in den Saal eingezogen und hatte eine launige, anekdotische, inhaltlich eher dünne Rede gehalten, in der er zu wichtigen Themen wie Klimakrise, Migration oder sozialen Fragen jeweils nur wenige Sätze sagte. Die Grünen, mit denen die ÖVP in einer Koalition regiert, kamen in seiner Rede ebenso wenig vor wie die Europäische Union, auch Afghanistan erwähnte Kurz in seiner Wohlfühl-Rede nur am Rande.

Die Anwesenden bewegte er vielmehr mit einigen persönlichen Anmerkungen - etwa, dass er wegen politischen Angriffen im vergangenen Jahr, die in einer Anzeige wegen Falschaussage gegipfelt hätten, kurz überlegt habe, hinzuschmeißen. "Es gab da durchaus einige Tage, wo ich mich gefragt habe, ob ich da wirklich richtig bin; ob es das ist, was man im eigenen Leben möchte; wie lange man sowas aushält; und ob es in Ordnung ist, so etwas der eigenen Familie zuzumuten", so Kurz.

Doch die Herausforderung habe ihn nur stärker gemacht, so Kurz unter tosenden Beifall und "Bravo"-Rufen. Auch Fraktionschef August Wöginger hatte bei seinem Auftritt vor der Rede von Parteichef Kurz den "blinden Hass" beklagt, mit dem der Kanzler und die ÖVP überzogen würden; einziges Thema der Opposition sei: "Kurz muss weg".

Abweichende Voten nicht vorgesehen

Der Leitantrag mit politischen Eckpunkten, der etwa ein "Verbot der Scharia", an eine "erfolgreiche Integration geknüpfte" Sozialleistungen und eine ökologische Politik ohne "Autofeindlichkeit und Straßenstopp" vorsieht, war zuvor ohne Gegenstimme und ohne jedwede Debatte durchgewunken worden. Ebenso die Wahl der Stellvertreter von Kurz, bei denen Gegenvorschläge oder abweichende Voten offenbar nicht vorgesehen waren. Kritik an der Regierungsarbeit der vergangenen Jahre, der durchaus gemischten Corona-Bilanz, dem Umgang mit den staatsanwaltlichen Ermittlungen in der Folge des Ibiza-Videos, peinlichen Chat-Nachrichten aus dem engeren Kreis der Regierung oder der harten Haltung in der Migrationspolitik kam nicht auf.

Beobachter hatten vor dem Parteitag gemutmaßt, dass enttäuschte Gegner von Kurz bei der Stimmabgabe ihrem Ärger Ausdruck verleihen würden, aber mit dem Ergebnis demonstrierte die Neue Volkspartei unter Kurz, die sich selbst "Bewegung" nennt, enorme Einigkeit.

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