Süddeutsche Zeitung

Österreich:Ein Tonband soll Kurz entlasten

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Der in die Enge geratene ehemalige Kanzler will mit einem Telefon-Mitschnitt seine Unschuld beweisen. Doch die Entlastungsversuche werfen schon wieder neue Fragen auf.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Geschichte um das unerwartete Geständnis des ehemaligen Generalsekretärs im österreichischen Finanzministerium, Thomas Schmid, das am Dienstag bekannt geworden war, ist um eine überraschende Volte reicher. Schmid hatte gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) 15 Tage lang zu Ermittlungen rund um die ÖVP und Ex-Kanzler Sebastian Kurz ausgesagt - und den ehemaligen Politiker schwer belastet. So sagte er unter anderem, Kurz habe das sogenannte Beinschab-Tool in Auftrag gegeben, das er dann für ihn entwickelt habe.

Der Mechanismus wurde nach der Meinungsforscherin Sabine Beinschab benannt; sie soll demnach Umfragen mit für Kurz genehmen Ergebnissen erstellt und über das Ministerium abgerechnet haben. Die Österreich-Mediengruppe der Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner soll diese dann im Gegenzug für teure Regierungsinserate publiziert haben.

Sebastian Kurz, der vor einem Jahr unter anderem wegen der sogenannten Inseratenaffäre zurückgetreten war, hatte am Mittwoch die Aussagen seines ehemaligen Vertrauten Schmid zurückgewiesen. Dieser wolle sich mit Falschaussagen den Kronzeugenstatus erschwindeln.

Kurz trägt in einem Hintergrundgespräch seine eigenen Rolle vor

Am Abend meldete sich dann der Anwalt von Kurz, Werner Suppan. Er teilte mit, er habe den Behörden eine Tonbandaufzeichnung übergeben, welche die belastenden Aussagen von Schmid widerlegen würde. Offenbar hatte Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe rund um das Beinschab-Tool mit Schmid telefoniert und dieses Gespräch aufgezeichnet. Darin fragt er ihn, welches "kranke Hirn" denn darauf kommen könne, dass er sich so etwas ausgedacht und sogar in Auftrag gegeben habe; er versucht ganz offensichtlich, Schmid in dem Audiomitschnitt Entlastendes zu entlocken.

Der ehemalige Beamte im Finanzministerium, der sich vor der WKStA später schuldig bekannt hat, antwortet ausweichend: "Das mit dem Anstiften, das ist ja zum Beispiel irgendwie etwas, was ... ich kann dir das nicht konkret beantworten, weil das immer etwas Abstraktes ist."

Eine eher komische Wendung nahm die Sache am Donnerstagmorgen. Da wurde bekannt, dass Kurz, der am Vortag dem Anschein nach die Nachricht von Schmids ausführlicher Aussage vor der WKStA nur auf Facebook kommentiert hatte, tatsächlich getan hatte, was er als Kanzler regelmäßig als Instrument zur Beeinflussung der Medien eingesetzt hatte: Er führte am Mittwoch Hintergrundgespräche mit ausgewählten Medien und las den Journalisten das Transkript seines Telefonats mit Schmid gemeinsam mit einer weiteren Person mit verteilten Rollen vor. Journalisten berichten, Kurz habe seinen eigenen Part vorgetragen und mit seiner Inszenierung seine Unschuld beweisen wollen.

Allerdings war das sogenannte Beinschab-Tool im Herbst 2021, als das Telefonat stattfand, in den Medien bereits hoch- und runter diskutiert worden. Was die Frage aufwirft, warum sich Kurz von seinem einstigen Intimus noch einmal erklären ließ, was das eigentlich genau sei. Möglich ist, dass das Gespräch gestellt war - zu einem Zeitpunkt, an dem sich Schmid noch nicht von Kurz abgewandt hatte. Oder aber beide Männer fürchteten, abgehört zu werden. Zitate von Kurz aus dem Telefonat könnten darauf hindeuten. So sagt Kurz, der für massiven Druck auf Medien und seine Abhängigkeit von Umfragen bekannt war, darin zu Schmid allen Ernstes: "Wir haben doch nicht einmal über Inserate und sowas geredet."

Der Bundespräsident fordert Entschlossenheit von den Politikern

Am Donnerstagnachmittag meldete sich dann überraschend Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Wort, der erst vor zwei Wochen wiedergewählt worden war. Er stellte fest, dass sich in den vergangenen Tagen viele Menschen gedacht hätten: "Das darf doch alles nicht wahr sein". Die "Substanz" des Gebäudes Demokratie sei mittlerweile in Gefahr, dementsprechend brauche es eine "Generalsanierung". Van der Bellen sprach, ohne es direkt zu formulieren, Kanzler Karl Nehammer und die aktuelle Führungsriege der ÖVP an, als er sagte, es reiche nicht, sich auf die Unschuldsvermutung oder den Ausgang laufender Ermittlungsverfahren zurückzuziehen. Zahlreiche ÖVP-Politiker hatten nach Bekanntwerden des Geständnisses von Schmid gesagt, politische Konsequenzen müsse es nicht geben, die Justiz solle die Vorwürfe aufklären.

Der Bundespräsident, dem in seiner ersten Amtszeit zu viel Nachsichtigkeit im Umgang mit den Korruptionsvorwürfe gegen die Kurz-Riege vorgeworfen war, sah sich offenbar angesichts der aktuellen Entwicklung genötigt, die schwarz-grüne Regierung zu einem entschlosseneren Kampf gegen Korruption in der Politik aufzufordern. Es dürfe nicht sein, dass sich der Eindruck erhärte, man könne sich die "Dinge richten", wenn man reich genug sei oder die richtigen Freunde habe.

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