Süddeutsche Zeitung

Österreich:Eine Kanzlerin, die Ruhe ins Land bringen muss

Erstmals eine Frau und dann noch eine, die als unaufgeregte Vermittlerin wirken könnte. Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein dürfte genau die Übergangskanzlerin sein, die Österreich jetzt braucht.

Kommentar von Leila Al-Serori, Wien

Stets die Erste und auch diesmal die Erste, so stellte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen die künftige Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein vor. Die angesehene Verfassungsrichterin war tatsächlich schon oft vorne dran. Die erste weibliche Generalanwältin 1990, die erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes 2018 und nun die erste Kanzlerin Österreichs. Van der Bellen hat mit ihrer Ernennung innerhalb weniger Tage schnell gehandelt, was essenziell war, um die Regierungskrise nicht zu einer Staatskrise auswachsen zu lassen.

Der Bundespräsident beweist außerdem gleich mehrfach Geschick - und schreibt sogar Geschichte: Er hat eine Frau berufen. Ein starkes und längst überfälliges Signal, denn im Jahr 2019 sollte eine Kanzlerin auch im konservativen Österreich kein Novum mehr sein. Er hat mit Bierlein aber auch jemanden ausgewählt, der sowohl der ÖVP als auch der FPÖ nahesteht und somit die rechtskonservative Mehrheit im Parlament hinter sich vereinen kann. Das ist unabdingbar, um die kommenden Monate möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen.

Bierlein ist eine Übergangskanzlerin des Konsens, eine die vermitteln wird müssen zwischen den Parteien, aber auch zwischen der Politik und der Bevölkerung. Durch die Ibiza-Affäre ist das Vertrauen der Österreicher in ihre gewählten Vertreter schwer erschüttert. Das Land braucht nun jemand unaufgeregten, versierten und erfahrenen an der Spitze. Jemanden, der nicht wie der abberufene Kanzler Sebastian Kurz oder die anderen Parteichefs die kommenden Monate im Wahlkampfmodus sein wird. Jemanden, der Ruhe ins Land bringt. Brigitte Bierlein dürfte genau die Kanzlerin sein, die Österreich jetzt braucht.

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