Österreich:Hoffentlich ein Weckruf

Österreich: "Inseratenkorruption" und "Boulevarddemokratie" sind zwei Begriffe, die man nur in Österreich kennt.

"Inseratenkorruption" und "Boulevarddemokratie" sind zwei Begriffe, die man nur in Österreich kennt.

(Foto: Robert Kalb/imago images)

Österreich stürzt im Ranking zur Pressefreiheit auf Platz 31 ab. Was geschehen müsste, damit sich die Situation wieder verbessert.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Österreich liegt jetzt hinter Ländern wie Costa Rica, Jamaika, Osttimor, Namibia und den Seychellen. Auf dem in dieser Woche präsentierten Index für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Österreich abgestürzt. 2019 stand Österreich in dem Ranking noch auf Platz elf - jetzt reichte es nur noch für Rang 31. Dabei ist das, was hauptsächlich für die blamable Rückreihung verantwortlich ist, seit vielen Jahren bekannt. Es wird mit den Begriffen "Inseratenkorruption" und "Boulevarddemokratie" treffend beschrieben - Bezeichnungen, die man nur in Österreich kennt. Aus gutem Grund.

Denn anders als in Deutschland gibt es hierzulande enge - und für eine Demokratie zu enge - Beziehungen zwischen Politik und Medien, zu denen noch finanzielle Abhängigkeiten kommen. Das ganze System wurde treffend in dem Satz "Wer zahlt schafft an" zusammengefasst.

Dem ÖVP-Strategen Thomas Schmid und seinen Chats ist es zu verdanken, dass dieses System und damit das seit Jahrzehnten bekannte Problem der gekauften Berichterstattung im Vorjahr an die Öffentlichkeit kam. Immerhin führte dies zum Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel. Schon davor bot 2019 Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video einen Einblick in die Denkweise von FPÖ-Politikern, wenn sie glauben, über ein Boulevardmedium verfügen zu können. "Du hast die Waffe in der Hand, dass alle dich schalten und walten lassen in Österreich", schwärmte er angesichts der angeblich bevorstehenden Möglichkeit, direkten Einfluss auf die Kronen Zeitung haben zu können.

Der Bundespräsident ortet Handlungsbedarf

Wenn sich selbst der ansonsten bei tagesaktuellen Nachrichten meist zurückhaltende Bundespräsident Alexander Van der Bellen prompt zu Wort meldet und Handlungsbedarf ortet, müsste eigentlich Tempo in die Sache kommen. Die für Medien zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) ließ allerdings lediglich verlauten, sie wolle sich das Bewertungssystem "genau ansehen". Das lässt den Verdacht aufkommen, dass man sich mit den Kriterien und nicht mit dem Ergebnis auseinandersetzt - so wie alle Jahre wieder, wenn die Pisa-Studie mit einem für Österreich nicht so positiven Ergebnis veröffentlicht wird.

Alle Parteien versuchen, Einfluss auf Medien zu nehmen - SPÖ und Grüne sind da nicht ausgenommen, wie auch die Postenvergaben im ORF zeigen. Und alle Medien profitieren vom jetzigen System, wenngleich der Boulevard überproportional bedacht wird. Qualitätsmedien würden von einer Neuregelung der Presseförderung profitieren, wenn mehr öffentliche Gelder anhand von Kriterien verteilt werden. Und nicht willkürlich über Inserate. Immerhin geht es um insgesamt mehr als 230 Millionen Euro, die von Steuerzahlern, also Bürgern, kommen und von der Politik nach Gutdünken verteilt werden.

Solange Politiker und Unternehmer noch immer ihr Handeln und Denken darauf ausrichten, was die Boulevardmedien berichten, und ob sie im ORF vorkommen, wird das System bleiben, wie es ist. Vielleicht ist aber dieser international blamable Absturz im Pressefreiheitsranking ein Weckruf - hoffentlich.

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