Österreich:Plötzlich Befragter

Der Ibiza-Untersuchungsausschuss will klären, inwieweit Parteispenden in der Vergangenheit durch Vereine verschleiert wurden - und vernimmt deshalb den eigenen Vorsitzenden Wolfgang Sobotka von der ÖVP.

In Wien hat der Ausschuss zur Untersuchung der Ibiza-Affäre am Mittwoch seinen Vorsitzenden Wolfgang Sobotka befragt. Bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause sollte der ÖVP-Politiker vor dem Untersuchungsausschuss im österreichischen Parlament Stellung nehmen zur Rolle des Alois Mock Instituts, dessen Leiter Sobotka ist. Es sei "eine unrühmliche Premiere", sagt die Abgeordnete Stephanie Krisper von den liberalen Neos, dass der Ausschussvorsitzende zugleich auch Auskunftsperson sei.

Das Gremium soll die Korruptionsvorwürfe gegen die frühere Regierung aus ÖVP und FPÖ aufklären, die vergangenes Jahr wegen der Ibiza-Affäre stürzte. Auslöser war ein Video, das 2017 auf der spanischen Ferieninsel Ibiza aufgenommen wurde, und über das die Süddeutsche Zeitung und Der Spiegel im Mai 2019 als erste berichteten. Aus den Aufnahmen geht hervor, dass der damalige FPÖ-Chef, Vize-Kanzler und Minister für den öffentlichen Dienst, Heinz-Christian Strache, sich offen zeigte für Korruption. Strache, der inzwischen nicht mehr FPÖ-Mitglied ist und eine eigene Partei gegründet hat, bestreitet die Vorwürfe. Das Video hält ein Treffen fest, an dem auch der damalige FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus teilnahm und eine Frau, die sich als Nichte eines russischen Oligarchen ausgab. Im Gespräch mit dieser erörterte Strache Möglichkeiten von Gefälligkeiten im Austausch gegen Investitionen und Spenden an seine Partei.

Die Abgeordneten haben immer noch nur Transkripte des Videos mit Schwärzungen

Im Ausschuss soll es jetzt zunächst darum gehen, welche Rolle parteinahe Vereine bei versteckter Parteienfinanzierung gespielt haben könnten. Die Frage laute, sagte die Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli, ob vermögende Personen diese Vereine möglicherweise dazu benutzt hätten, Geldzahlungen an Parteien zu verschleiern. Im Falle des nach dem früheren ÖVP-Außenminister Alois Mock benannten Instituts ist die Opposition der Ansicht, dass dieses von einem Glücksspielkonzern in Form von Inseraten und Sponsoring unterstützt wurde. Tomaselli sagte, die damalige rechtskonservative Regierung habe "still und heimlich" geplant, die Republik umzubauen.

ÖVP-Mann Wolfgang Sobotka sagte am Mittwoch vor dem Ausschuss, bei dem Institut handle es sich um einen "bürgerlichen Thinktank", nicht um eine "Vorfeldorganisation" seiner Partei. Sobotka begründete die Zusammenarbeit mit dem Glücksspielkonzern auch mit wissenschaftlichen Interessen.

Die FPÖ kündigte unterdessen an, sie wolle vor Österreichs Verfassungsgerichtshof die Herausgabe des kompletten Ibiza-Videos einklagen. Das Material, das an den Ausschuss übermittelt wurde, sei unvollständig. "Wir lassen uns das nicht mehr bieten", sagte FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker. Das Transkript der Videoaufzeichnungen wurde dem Ausschuss mit geschwärzten Stellen übergeben. Dazu sagte SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer: "Schwärzungen sind verboten. Das haben wir uns als Ausschuss nie gefallen lassen." Krainer hielt außerdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mangelnde Zusammenarbeit und Erinnerungslücken vor.

Vor dem Ausschuss sind bis Anfang Dezember bisher mehr als 20 Zeugen aus Politik, Behörden und Wirtschaft geladen. Sie sollen Aussagen machen zu den Vorwürfen rund um mögliches Geschachere um Posten und Gegenleistungen für Parteispenden.

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