Österreich:Werbung für den Gegner

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Peter Pilz saß lange Zeit für die Grünen und später mit eigener Liste im österreichischen Parlament und hat sich als "Aufdecker" einen Namen gemacht. (Foto: Georges Schneider/imago)

Österreichs BKA-Chef macht ein unliebsames Buch populär.

Von Cathrin Kahlweit

Das Buch "Kurz - ein Regime" von Ex-Politiker Peter Pilz, das laut Verlag ein "politisches Sittenbild" Österreichs unter Bundeskanzler Sebastian Kurz zeichnet, ist im Juli erschienen, die dritte Auflage wird gerade gedruckt. Derzeit verkaufen Buchläden besonders viele Exemplare des Werkes, das ohnehin schon auf der Bestsellerliste steht und überwiegend wohlwollend besprochen wurde, auch in der SZ. Pilz, der lange Zeit für die Grünen und später mit einer eigenen Liste im Parlament saß und als "Aufdecker" von Skandalen diverse Regierungen ärgerte, ist mittlerweile Autor und Herausgeber eines linken Online-Mediums.

Interessierte Leser dürften in seinem Buch derzeit vor allem nach dem Namen Andreas Holzer suchen, der im Glossar der ersten Auflage als "Leiter der SOKO Ibiza, seit 2018 Leiter der Abteilung für Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt und designierter Direktor des Bundeskriminalamts (BKA)" geführt wird. An dieser Stelle ist der Annex noch ein bisschen hinterher; Holzer ist mittlerweile im Amt.

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Ob es im Sinn des BKA-Chefs war, den Fokus darauf zu lenken, wo und vor allem wie er in dem kritisch-polemischen Text vorkommt, darf bezweifelt werden. Er hat nämlich den Verlag Kremayr & Scheriau verklagt, die Einziehung des Buches beantragt und fordert eine Entschädigung; eine solche Einziehung stünde am Ende eines Verfahrens, falls ein Gericht strafrechtlich relevante Unterstellungen von Pilz gegen Holzer erkennt. Für Pilz ist das beste Werbung, er ist gerade auf Lesereise und sagt in Salzburg erkennbar erfreut am Telefon, er habe natürlich sehr sauber recherchiert und würde, sollte es eine Beweisaufnahme geben, etwaige Zeugen gleich selbst befragen.

Dass Holzer, einer breiteren Bevölkerung in Österreich als einer der Ibiza-Ermittler bekannt, sauer ist, kann man verstehen. Der Polizist, der in der Drogenfahndung und in der Bekämpfung internationaler Kriminalität Karriere gemacht hat, möchte nicht als Teil eines angeblichen "Netzwerks von Sebastian Kurz" dargestellt werden. Pilz hatte, wie es seine Art ist, kein Blatt vor den Mund genommen und zahlreiche Vorwürfe gegen den Beamten aufgeschrieben, der aber, anders als viele Politiker, in dem Buch keine tragende Rolle spielt.

Es geht, wie so oft in Österreich, auch um das sogenannte Ibiza-Video, auf dem der damalige FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache in Verhandlungen mit einer vermeintlichen Oligarchennichte zu sehen ist. Holzer, der einige Stränge der Ermittlungen rund um das Ibiza-Video leitete, soll laut Pilz die Aufklärung bisweilen regelrecht behindert und ÖVP-nahe Beamte geschützt und womöglich sogar Amtsgeheimnisse verraten haben. Holzer bestreitet das alles vehement.

Er will kein "Dammwärter von Kurz" sein; in seinem neuen, hochpolitischen Job kann er schlechte Nachrede nicht brauchen. Erst im März hatte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) den BKA-Chef bestellt, dem er "Erfahrung, Ausdauer und Konsequenz" attestierte. Die Opposition protestierte schon damals: Holzer sei eine "parteipolitische Besetzung".

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