Parteienfinanzierung:"In Österreich neigt man dazu, sich durchzuwinden"

Ministerratssitzung in Wien

Die Ibiza-Affäre hat nicht nur die Regierung von Kurz (hinten) und Strache gesprengt, sondern auch die Frage nach den Praktiken bei der Parteienfinanzierung aufgeworfen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der frühere Rechnungshofchef Franz Fiedler verrät, mit welchen Tricks sich Gelder in Parteien schleusen lassen - und hat eine Erklärung, warum die Politiker lagerübergreifend wenig Interesse zeigen, an den Praktiken etwas zu ändern.

Interview von Oliver Das Gupta

Franz Fiedler, Jahrgang 1944, ist profunder Kenner von Wirtschaftsdelikten in Österreich. Der Jurist aus Wien stand unter anderem viele Jahre dem Rechnungshof als Präsident vor, später war er Chef von Transparency International Österreich. Fiedler ist Mitglied der konservativen ÖVP, er genießt den Ruf, überparteilich zu handeln. Dies wird auch im folgenden Interview deutlich.

SZ: Herr Fiedler, wie geht man vor, wenn man in Österreich Geld an eine Partei spenden möchte und dabei unerkannt bleiben will?

Franz Fiedler: Bis zu einem Betrag von 500 Euro geht das anonym.

Und wenn es sich um höhere Summen handelt?

Da gibt es andere Wege. Man kann sich zusammentun mit einer natürlichen oder juristischen Person - oder gleich mehreren Personen. Auf diese Leute verteilt man das Geld in Tranchen von jeweils bis zu 500 Euro, die es dann in deren Namen spenden. Das ist sozusagen eine Strohmann-Variante. Noch eine Möglichkeit: Man zahlt als Parteimitglied freiwillig einen höheren Mitgliedsbeitrag als eigentlich nötig und lässt der Partei auf diese Weise Geld zukommen.

Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat im Ibiza-Video davon gesprochen, dass man lieber nicht seiner Partei direkt spenden sollte, sondern einem Verein. Wie funktioniert so eine Konstruktion?

Ein Verein, der offiziell nichts mit der Partei zu tun hat, wird für diese Partei tätig. Zum Beispiel indem er Plakate druckt, Inserate schaltet und in sozialen Medien Propaganda macht. Die Partei kann in diesem Fall behaupten: Wir haben damit nichts zu tun, der Verein handelt ja selbstständig, er hat ein autonomes Finanzgebaren.

Nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos sind im Umfeld von den größeren Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ mehrere Vereine bekannt geworden, die möglicherweise einer solchen Umwegfinanzierung dienen.

Es wird natürlich allseits bestritten.

Mindestens zwei Vereine, die der FPÖ nahestehen sollen, wurden umgehend aufgelöst.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Mal sehen, ob sie zu etwas führen, oder im Sande verlaufen.

In einem Verein wiederum, der der ÖVP zugeschrieben wird, war Gernot Blümel, der Wiener ÖVP-Chef und Vertraute von Sebastian Kurz, sogar als Kassier vermerkt - ein "Irrtum", wie es hinterher hieß.

Das klingt lustig und es fällt auch unter die Dinge, die sich sicherlich weder verifizieren noch falsifizieren lassen - weil keine unabhängige Instanz die Möglichkeit hat, dort nachzuschauen. Das ist der Jammer.

Welche weiteren Kniffe gibt es, Geld über Umwege in eine Partei zu schleusen?

Das kann auch über die Parlamentsklubs praktiziert werden...

...Parlamentsklubs, die in Deutschland Fraktionen heißen.

In Österreich besitzen diese Klubs eine eigene Rechtspersönlichkeit, deshalb fallen sie nicht unter das Parteiengesetz. Dies eröffnet den Parteien natürlich eine regelrechte Fundgrube an Möglichkeiten. Auch diese Klubs empfangen Spenden, die dann nicht im Rechenschaftsbericht der Parteien aufscheinen. Wir haben in der Vergangenheit schon erlebt, dass diese parlamentarischen Klubs für Parteien geworben haben - doch das eingesetzte Geld wird nicht einmal angerechnet auf die Wahlkampfkosten. Ich halte diese Querfinanzierung für eine gefährliche Angelegenheit.

Parteienfinanzierung: Franz Fiedler war von 1992 bis 2004 Präsident des Rechnungshofes in Österreich.

Franz Fiedler war von 1992 bis 2004 Präsident des Rechnungshofes in Österreich.

(Foto: NLK/Filzwieser/CC BY-SA 2.0)

Auch Kandidaten können Geld in eine Partei einbringen - oder sollte man sagen: Investieren? Der Jurist Alfred Noll hat der Liste Pilz vor der letzten Wahl knapp 100 000 Euro gespendet - und seit der Wahl sitzt er für die Kleinpartei im Parlament.

An sich ist es natürlich einer der größten politischen Missstände, wenn man sich - direkt oder indirekt - ein Mandat kaufen kann. Aber was Noll damals gemacht hat, das hat nicht gegen das Gesetz verstoßen.

Inzwischen haben sich die Spendenregeln ja geändert. Nach den Veröffentlichungen um das Ibiza-Video hat eine Mehrheit von Sozialdemokraten und FPÖ ein neues Gesetz zur Parteienfinanzierung beschlossen - taugt das etwas?

Hinsichtlich der im Video erwähnten Vereine nicht. Dass es trotzdem verabschiedet wurde, kann man als ein typisch österreichisches Spezifikum werten.

"Die Parteien konterkarieren das Gesetz"

Was wurde denn dann neu geregelt?

Nun sind etwa Großspenden untersagt, was vor allem die ÖVP und die liberalen Neos trifft - deshalb haben die Novelle ja deren politische Rivalen SPÖ und FPÖ initiiert. Die ÖVP kritisiert natürlich die Novelle, aber sie weint in Wahrheit auch nur Krokodilstränen, weil sie in den letzten Jahren nichts dazu beigetragen hat, um die Parteienfinanzierung transparenter zu gestalten und die Prüfungsmöglichkeiten zu verbessern.

Wie müsste ein Regelwerk beschaffen sein, das die vorhandenen Schlupflöcher stopft?

Die Vereinsvariante sollte zum Beispiel unmöglich gemacht werden. Noch wichtiger wäre es, einen effektiven Kontrollmechanismus einzuziehen. Das kann nur darin bestehen, dass man dem Rechnungshof eine vollständige Prüfungsmöglichkeit einräumt - die hat er derzeit nicht. Der Rechnungshof kommt einfach nicht zum Zug.

Woran hapert es denn genau?

Der Rechnungshof kann zum Beispiel zu Rechenschaftsberichten von Parteien Bedenken äußern - doch wie können überhaupt Bedenken aufkommen, wenn der Rechnungshof nicht einmal in die Bücher schauen darf? Und wenn er doch so weit kommt, Bedenken zu haben, darf er bei den betreffenden Parteien nicht selbst Erkundigungen einholen. Er muss sich eines Wirtschaftsprüfers bedienen, der für den Rechnungshof dann tätig wird. Das sind völlig unsinnige Regelungen, die nur für Komplikationen sorgen.

Ist eine Verbesserung der Situation nach der Neuwahl Ende September in Sicht?

Nein, nicht wirklich. Gerade die größeren Parteien haben kein Interesse daran. Allein die Vorstellung, dass der Rechnungshof ihnen in Bücher und Kassen schauen könnte, bereitet ihnen immenses Unbehagen. Wer das Gesetz ernst nimmt, der müsste für eine effektive Kontrolle sein. Aber das will keiner. Deshalb konterkarieren die Parteien auch das Gesetz, deshalb werden auch noch so strenge Regelungen immer nur eine Halbheit bleiben. Dabei besteht wirklich dringender Handlungsbedarf.

Hat Österreich ein besonderes Problem, wenn es um Transparenz und Parteifinanzen geht?

Ja, das ist leider so. Schauen Sie, über Jahrzehnte war dieses Themenfeld in Österreich legislativ und juristisch nicht beackert. Erst 2012 hat man Neuland betreten und so etwas wie Parteispendenobergrenzen inklusive Sanktionen eingeführt. Das war ein positiver Schritt, aber das Gesetz hatte Kinderkrankheiten. Seitdem hat man sich nicht durchringen können, Nachteile zu beseitigen.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die österreichische Politik bei dem Thema so beharrlich mauert?

Das hängt wohl auch mit der Mentalität zusammen, mit der Einstellung vieler Österreicher mit gewissen Dingen. Man neigt dazu, sich durchzuwinden, so wie ein "Schlankerl", wie man bei uns in Wien sagt.

Das müssen Sie genauer erläutern.

Da wählt man einen Weg, den man noch nicht so ganz als ungesetzlich empfindet. Man ist sich zwar darüber im Klaren, dass das nicht wirklich sauber ist, was man jetzt macht, aber man kann es irgendwie doch noch vertreten - zumindest vor sich. Man nimmt es auf die leichte Schulter. Es ist letztendlich eine Geringschätzung von gewissen Werten - ein parteiübergreifendes Phänomen.

Das klingt ziemlich ernüchtert.

Es ist halt nun mal so, wie es ist. Der österreichische Staatskanzler Metternich hat es auf den Punkt gebracht, vermutlich weil er kein Österreicher war.

Er ist in Koblenz am Rhein geboren.

Richtig, deshalb hatte er wohl eine andere Einstellung. Metternich hat den österreichischen und vor allem den Wiener Charakter gut erkannt und einmal gesagt: "Hinter dem Rennweg beginnt der Balkan" - also hinter der bekannten Straße im Osten Wiens. Bezeichnenderweise befindet sich das Palais Metternichs am Rennweg.

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