MeinungÖsterreich:Orbán ist bei den Mächtigen oder bei EU-Gegnern – in letzter Zeit sind das meist ein und dieselben

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Kolumne von Cathrin Kahlweit

Lesezeit: 3 Min.

Ungarns Premierminister Viktor Orbán trifft in Wien Nationalratspräsident Walter Rosenkranz von der FPÖ.
Ungarns Premierminister Viktor Orbán trifft in Wien Nationalratspräsident Walter Rosenkranz von der FPÖ. (Foto: Christian Bruna/Getty Images)

Der Ungar ist wie der rasende Roland: praktisch gleichzeitig in Tiflis, Budapest und Wien. In Österreich trifft er seine Freunde von der FPÖ. Irgendjemand muss ihn ja bewundern.

Vergangene Woche hatte ich Ihnen den neuen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz von der FPÖ vorgestellt, der in seiner Antrittsrede versichert hatte, die liberale Demokratie hochhalten und „als Teamplayer ehrenvoll“ das Parlament repräsentieren zu wollen. Schon damals dachten viele, das sei zu schön, um wahr zu sein. Und siehe da, Rosenkranz zeigte seinen Kritikern schneller als gedacht, was eine Harke ist.

Erst einmal gab er dem Verschwörungssender Auf1 ein Interview, der auf seiner Webseite gleich darauf stolz verkündete, man habe „exklusiv“ mit dem „frisch gewählten Ersten Nationalratspräsidenten“ sprechen können – unter anderem über dessen Lebensthema, die Burschenschaften, aber auch über das Gendern, o Graus. Interviewer war Philipp Huemer, der den Identitären nahesteht. Als das nicht überall ankam, schrieb Auf1 umgehend von „Schnappatmung bei den Systemmedien“.

Dann lud Rosenkranz als ersten Gast ins Hohe Haus den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ein, der kurz in Wien aufschlägt, um bei einer Veranstaltung der radikal rechten Weltwoche gemeinsam mit Putin-Freund Gerhard Schröder und Putin-Freund und Moderator Roger Köppel über Frieden in Europa zu diskutieren. Ich wäre hingegangen, um zu erfahren, ob die Ukraine da eventuell ein Wörtchen mitzureden hätte, wenn es nach den drei Herren geht. Aber trotz intensiver Bemühungen ist es mir nicht gelungen, eine Karte zu ergattern.

Orbán traf, wie sollte es anders sein, in Wien auch FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der hockt zurzeit in der Schmollecke, weil niemand mit ihm über die Bildung einer Regierung verhandeln will, was er als Verrat am Wähler bezeichnet. Das freie Mandat wie auch die Tatsache, dass die FPÖ selbst im Jahr 2000 als zweitstärkste Kraft im Parlament eine Koalition mit der drittstärksten Partei, der ÖVP, einging und damit die SPÖ als Wahlsiegerin ausbootete, spielt bei der Argumentation der Blauen keine Rolle.

Der Ungar hat wahrscheinlich seinen Koffer auf dem Weg nach Wien gar nicht ausgepackt, weil er geradewegs aus Georgien kommt. Dort war am Samstag gewählt worden, und schon bevor ausgezählt war, hatte Orbán der russlandfreundlichen Regierungspartei Georgischer Traum zum Wahlsieg gratuliert. Man muss sich auf der Zunge zergehen lassen, was er Premier Irakli Kobachidse sagte, nachdem er auf dem Weg zu ihm durch ein Pfeifkonzert marschiert war: „Wenn ich mir die Debatte um die Wahl anschaue, wenn ich die Einschätzungen der internationalen Organisationen lese, dann stelle ich fest, dass niemand es wagt, infrage zu stellen, dass diese Wahl eine freie und demokratische Wahl war.“

Das ist nun allerdings sehr überraschend, weil das Gegenteil wahr ist. Aber vermutlich hat der ungarische Premier nur in seiner heimischen, regierungsnahen Presse nachgelesen, in der seit Jahren einzig das steht, was Orbán dort lesen will. In Tiflis sagte er weiter, die Regierungspartei setze sich für die Integration in die Europäische Union ein. Auch das ist schlicht falsch.

Der Georgische Traum, der von seinem Finanzier und Strippenzieher, dem Oligarchen Bidsina Iwanischwili, zunehmend an Moskau angekoppelt wird, hat nicht nur, nach russischem Vorbild, ein Gesetz gegen „ausländische Agenten“ erzwungen, Sanktionen gegen Russland weiträumig unterlaufen und im Vorfeld der Wahl massiven Druck auf die Opposition ausgeübt, sondern nach der Wahl auch Präsidentin Salome Surabischwili massiv unter Druck gesetzt.

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Orbán dürfte es nicht gefallen, dass nach der Wahl Massendemonstrationen im ganzen Land organisiert wurden und nun sogar fallweise nachgezählt werden soll. Wo kämen wir denn da hin, wenn überprüft würde, ob eine Wahl fair und frei war, nachdem der Ungar doch schon gesagt hatte, dass genau das der Fall sei?

Es gefällt ihm ja auch nicht, dass in Ungarn sein Kontrahent Péter Magyar mittlerweile in Umfragen vor seiner Partei, der Fidesz, liegt. Oder dass die EU sich von seiner voreiligen Reise nach Georgien distanziert hat. Ganz schwierig würde es für ihn werden, wenn zwei Tage vor dem Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft, der am 7. November in Budapest stattfindet, bei den Wahlen in den USA nicht sein Idol Donald Trump gewinnen sollte. Sondern die Demokratin Kamala Harris. Es steht zu befürchten, dass Orbán dann erklären wird, sie habe Trump den Sieg gestohlen.

Aber dann bleiben Viktor Orbán ja immer noch seine guten Freunde von der FPÖ. Irgendjemand muss ihn ja bewundern, und beim Bewundern von Antidemokraten, EU-Feinden und Putin-Freunden sind die Freiheitlichen ganz groß.

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