Österreich:Verstörende Chatprotokolle

Pressefoto Thomas Schmid

Er taucht in so gut wie jedem Ermittlungsverfahren auf: Thomas Schmid, damals im Finanzministerium, schrieb an Kurz, er schaffe keine Probleme, sondern löse sie für ihn.

(Foto: ÖBAG)

Chatnachrichten hatten bereits ein zweifelhaftes Licht auf die Bestellung von Thomas Schmid zum Öbag-Chef geworfen. Nun tritt er zurück. Das Bekanntwerden abfälliger Bemerkungen über Untergebene und Minderheiten machte offenbar das Maß voll.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Eigentlich hatte er seinen Vertrag noch auslaufen lassen und erst im Frühjahr 2022 die österreichische Staatsholding Öbag verlassen wollen, nun kam sein Abgang doch viel schneller: Am Dienstagmorgen wurde in Wien bekannt, dass Öbag-Vorstandschef Thomas Schmid mit sofortiger Wirkung zurückgetreten ist. Einer der zahlreichen Gründe dafür, dass der Aufsichtsrat dies nun doch als "notwendigen Schritt" ansah, dürfte in den jüngst bekannt gewordenen Chatnachrichten gelegen haben, die Schmid mit einer Mitarbeiterin ausgetauscht hatte.

Schmids mehr als 300 000 Textnachrichten werden seit Monaten von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgewertet, die dessen Handy und Computer im Rahmen einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt und ausgelesen hatte. Gegen den ehemaligen Generalsekretär im ÖVP-Finanzministerium wird im Kontext der sogenannten Ibiza-Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zu Untreue und Bestechung ermittelt.

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass sich Schmid beim Wechsel vom Finanzministerium zur Öbag, der mit dem Verlust eines Diplomatenpasses einherging, darüber beschwert hatte, er müsse "reisen wie der Pöbel". Als er einen Strafregisterauszug persönlich abholen sollte, klagte er, er müsse zu den "Tieren" vom Amt. Zynische Scherze über Flüchtlinge, lautes Nachdenken über die Abschaffung des Betriebsrats und die Abwertung weiblicher Halbtagskräfte machten offenbar das Maß voll. Österreichische Medien berichten, dass die Öbag vergangene Woche mit Protestanrufen wütender Bürger regelrecht geflutet wurde.

Die abfälligen Bemerkungen über Untergebene und Minderheiten waren offenbar zu viel

Vorangegangen waren indes schwerwiegendere Vorwürfe, wegen denen Schmid jedoch bis zuletzt einen Rücktritt nicht einkalkuliert hatte: Aus den Chatnachrichten war deutlich geworden, dass Schmid sich seinen Vorstandsposten bei der Öbag offenbar mit Wissen und Unterstützung von Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel selbst gezimmert, die Ausschreibung mitformuliert und den Aufsichtsrat mutmaßlich mit zusammengestellt hatte. Kurz sagt, er sei über Schmids Bewerbung für die Öbag nur "informiert", aber nicht darin involviert gewesen. Sowohl gegen Kurz als auch gegen Schmid ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage. Schmids Chatnachrichten sind auch Basis für viele Befragungen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur "möglichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung" unter Kanzler Kurz und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache von 2017 bis 2019.

Der Öbag-Aufsichtsrat und die ÖVP hatten den stark umstrittenen Manager Schmid offenbar bis zum Ende seiner Vertragszeit in dem Staatsunternehmen halten wollen, das mehr als 26 Milliarden Euro an Unternehmensbeteiligungen verwaltet. Nach seinen abfälligen Bemerkungen über Untergebene und Minderheiten war er aber offenbar nicht mehr zu halten.

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