Nachdem die FPÖ in den Umfragen lange mit deutlichem Abstand vorn gelegen hatte, schien es in den Wochen vor der Wahl noch einmal eng zu werden: Die konservative ÖVP holte Prozentpunkt um Prozentpunkt auf, der amtierende Bundeskanzler Karl Nehammer stilisierte die Wahl zu einer Entscheidung zwischen ihm und Herbert Kickl, dem Spitzenkandidaten der FPÖ. Früh am Wahlabend war klar: Sein Kalkül ist nicht aufgegangen, die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher setzte ihr Kreuz bei den Freiheitlichen.
Zwar nahmen mehr Menschen an der Wahl teil als noch vor fünf Jahren. Doch weder Nehammers Zuspitzung noch das verheerende Hochwasser vor zwei Wochen konnte so viele Wähler wie um die Jahrtausendwende mobilisieren, als die Wahlbeteiligung mehrmals deutlich über 80 Prozent lag. Teuerung, Zuwanderung und Gesundheit/Pflege waren die meistdiskutierten Themen des Wahlkampfs – nicht die Ursachen und Folgen der Hochwasser-Katastrophe. Selbst bei jüngeren Wählerinnen und Wählern landete Umwelt- und Klimaschutz nur auf Rang fünf der wichtigsten Themen.
Wie bei den vergangenen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind es die Älteren, die ein noch stärkeres Abschneiden der Rechtspopulisten verhindern. Bei den über 60-Jährigen liegt die ÖVP mit deutlichem Abstand vor der FPÖ und den von Andreas Babler angeführten Sozialdemokraten. Die meisten jüngeren Wähler haben ihre Stimme für die FPÖ abgegeben, auch die liberalen Neos schneiden hier vergleichsweise gut ab. Ginge es nach den 16- bis 34-Jährigen, dürften sich auch die Bierpartei des Punkrock-Sängers Dominik Wlazny und die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) Hoffnungen auf den Einzug in den Nationalrat machen.
Die FPÖ liegt bei Frauen und Männern etwa gleichauf. Das ist nicht selbstverständlich: 2019 schnitt die FPÖ bei Frauen nur halb so gut ab wie bei Männern und auch bei der EU-Wahl war noch ein Unterschied sichtbar. Bei dieser Wahl liegen die größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Ergebnis von ÖVP und SPÖ, und selbst diese bewegen sich noch knapp im mit den Befragungen einhergehenden Unsicherheitsbereich.
Obwohl Andreas Babler mit seiner Forderung nach einer Reichensteuer versucht hat, die SPÖ weiter links als unter seinen Vorgängern zu positionieren, ist es ihm nicht gelungen, die Arbeiterinnen und Arbeiter hinter sich zu bringen: Rund jeder Zweite wählte FPÖ – und auch bei den Angestellten liegen die Blauen deutlich vorn. Einzig Selbständige haben sich ähnlich oft für die ÖVP entschieden.
Betrachtet man die formale Bildung gibt es große Unterschiede im Wahlverhalten. Wähler ohne abgeschlossene Hochschulreife konnte die FPÖ bereits in der Vergangenheit für sich gewinnen. Grüne und Neos erreichen hauptsächlich jene mit einem höheren Bildungsgrad. Die Grünen erreichten bei der Nationalratswahl 2019 fast ein Drittel derer mit Matura oder höherem Abschluss – ihr Wahlergebnis hat sich in dieser Gruppe fast halbiert.
Um zu ermitteln, welche Bevölkerungsgruppen welche Partei gewählt haben, führen die Umfrageinstitute Wahlbefragungen durch. Sie befragen dazu Wählerinnen und Wähler, welche Partei sie beabsichtigen zu wählen und erfassen auch soziodemografische Merkmale, also etwa das Alter und den Beruf. In Österreich wurden zwischen dem 23. und 28. September 1248 Personen in Telefon- und Online-Interviews befragt. Um ein möglichst repräsentatives Ergebnis zu erzielen, berechnen die Umfrageinstitute aus ihren Befragungsergebnissen den ungefähren Stimmenanteil der wichtigen Parteien je Bevölkerungsgruppe.