Wie erwartet bekommt die ÖVP von Ex-Kanzler Sebastian Kurz den Hochrechnungen zufolge die Mehrheit der Stimmen. Die FPÖ hat dagegen noch mehr an Stimmen eingebüßt, als die Umfragen vermuten ließen. Auch die SPÖ erreicht die Zahlen von 2017 nicht mehr. Demnach bestätigt sich auch die Erwartung, dass die kommende Regierung aus sehr unterschiedlichen Koalitionen gebildet werden könnte. Und es sieht so aus, als würden die Grünen dabei eine überraschend große Bedeutung haben. Denn nachdem sie bei der Wahl vor zwei Jahren aus dem Nationalrat geflogen waren, kommen sie auf deutlich mehr als zehn Prozent der Stimmen.
FPÖ, SPÖ, aber auch die Grünen kommen also offenbar gemeinsam mit der ÖVP auf genügend Sitze im Nationalrat, um eine Mehrheit zu bilden. Kurz hätte dann die Wahl:
Er kann sich erneut mit dem Partner aus der vorherigen Regierung zusammentun, nachdem die FPÖ ihren Vorsitzenden ausgetauscht hat. Heinz-Christian Strache ist wegen der Ibiza-Affäre gegangen. Norbert Hofer, früherer Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, ist an die Spitze der Partei gerückt und hat sich bereits vor der Wahl für eine Erneuerung des schwarz-blauen Koalition ausgesprochen.
Als Alternative kann Kurz auch den Sozialdemokraten Gespräche anbieten. ÖVP und SPÖ kennen sich als politische Gegner und Regierungspartner seit Jahrzehnten. SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner schloss vor der Wahl nicht aus, unter einem Kanzler Kurz Vizekanzlerin zu werden. Eine Koalition mit der FPÖ hatte Rendi-Wagner dagegen ausgeschlossen.
Schwarz-Grün ist möglich
Kurz kann aber auch - und das ist die wirkliche Überraschung - gemeinsam mit den Grünen eine Koalition bilden, und es scheint, als bräuchte er dazu die liberalen Neos nicht. Die Grünen in Österreich mit ihrem Spitzenkandidaten Werner Kogler gelten als relativ pragmatisch - wenn auch Teile der Basis Vorbehalte gegenüber ÖVP-Chef Kurz haben. Der grünen Partei ist es allerdings wichtig, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern. Und so könnte eine schwarz-grüne Koalition tatsächlich die nächste Regierung bilden.
Sollten die Neos dabei noch eine Rolle spielen, hätte die Partei sicher nichts dagegen. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte vor der Wahl angedeutet, unter bestimmten Bedingungen mit der ÖVP zu koalieren - ihr Wunsch nach einem "nationalen Klima- und Umweltpakt" wurde als Signal in Richtung Grüne interpretiert.
Eine Regierung in den Farben Schwarz, Grün und Pink wäre vielen Österreichern sogar lieb. Ein in Wien als "Dirndl"-Koalition bezeichnetes Bündnis wünschten sich einer jüngeren Umfrage zufolge fast 30 Prozent.
Historische Entwicklung
Betrachtet man die historische Entwicklung, so fällt besonders auf, dass die Ergbnisse bei den Nationalratswahlen für ÖVP und FPÖ fast spiegelbildlich verliefen: Die zunehmenden Verluste der Konservativen seit den Achtzigerjahren gingen parallel zum Stimmenzuwachs bei den Rechtspopulisten; Anfang der 2000er Jahre kehrte sich der Trend allerdings vorübergehend und deutlich um.
Für die jüngeren Wahlen ist es schwer zu sagen, wer an wen Stimmen abgegeben hat. Eindeutig ist allerdings der stetige Abwärtstrend bei der SPÖ seit den 80er Jahren, mit dem bislang schlechtesten Ergebnis bei den aktuellen Wahlen. Und die Grünen haben diesmal ihren größten Erfolg seit ihrer Gründung in Österreich eingefahren.
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