MeinungÖsterreich:Der Nationalratspräsident kauft zum Abschied teure Kunstwerke

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Kolumne von Cathrin Kahlweit

Lesezeit: 2 Min.

Geh bitte! Wolfgang Sobotka (ÖVP) orderte den Kauf von zwei Objekten des Künstlers Erwin Wurm. Sie wurden knapp vor dem Ende seiner Amtszeit als Nationalratspräsident geliefert und in der Säulenhalle des Parlaments aufgestellt. Kostenpunkt: circa 240 000 Euro. (Foto: Lisa Leutner/Reuters)

Während der neue Nationalratspräsident von der FPÖ sich konziliant gibt, zeigt sein Vorgänger kurz vor Ende seiner Amtszeit, was alles möglich ist.

Alle Augen waren in dieser Woche erst auf den Bundespräsidenten in der Hofburg, dann auf den FPÖ-Chef, dann auf den mutmaßlich neuen Parlamentspräsidenten gerichtet, der sich am Donnerstag im neu konstituierten Nationalrat zur Wahl stellen wollte.

Würde Alexander Van der Bellen dem Rechtspopulisten Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag geben, obwohl zuvor alle möglichen Kandidaten dessen Liebeswerben mit Abscheu und Grausen von sich gewiesen hatten? Er tat es nicht. Stattdessen darf nun ÖVP-Chef Karl Nehammer sein Glück versuchen. Würde Herbert Kickl ausflippen, wenn ihn das Staatsoberhaupt nicht zum Chef-Unterhändler in eigener Sache machen würde? Er tat es nicht. Stattdessen sagte er raunend, es sei noch nicht aller Tage Abend.

Und würde Walter Rosenkranz, ein FPÖ-Mann, der wie Kickl denkt und Kickl als selbst erklärter Parteisoldat folgt, aber sich netter als Kickl gibt, tatsächlich zum Präsidenten des Nationalrats gewählt? Er wurde, wenngleich mit etwas mehr als 60 Prozent der Stimmen, was einem Misstrauensvotum gleich zu Beginn seiner Amtszeit gleichkommt.

Wer weiß, wie die FPÖ über den Rechtsstaat („das Recht muss der Politik folgen“) und das Parlament („Systemparteien; Peiniger und Unterdrücker in Regierungsämtern“) spricht, muss sich fragen, ob Rosenkranz sein wichtiges und durchaus mächtiges Amt zum Wohle der Republik oder zum Wohle des fürs Erste verhinderten Volkskanzlers nutzen wird.

Was aber tat nun der scheidende Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), dessen Vertrauensindex in der Bevölkerung echt mies ist, der sich als Vorsitzender von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen immer wieder als extrem parteiisch erwies, der Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und viele kritische Fragen rund um die Finanzierung des von ihm geleiteten Alois-Mock-Instituts über sich ergehen lassen musste? Der so oft wie wohl kein anderer ÖVP-Politiker aufgefordert wurde zurückzutreten und der, last but not least, auf Steuerzahlerkosten einen völlig überteuerten vergoldeten, angeberischen Bösendorfer-Flügel für das Parlament anschaffen ließ? He did it again.

Sobotka kaufte, offenbar ohne jemanden zu informieren, per ordre de mufti zwei Objekte des berühmten österreichischen Künstlers Erwin Wurm. Sie wurden knapp vor dem Ende seiner Amtszeit geliefert und in der Säulenhalle des Parlaments aufgestellt; Kostenpunkt circa 240 000 Euro. Was für eine Überraschung! Der Kollege Christian Nusser hatte in seinem Blog „Newsflix“ zuerst davon berichtet.

Schlechte Nachrede ist Sobotka offenbar egal

Nichts gegen Wurm, dessen Werk ich originell und unterhaltsam finde. Aber zum einen haben die Architekten des wunderbar renovierten Abgeordnetenhauses am Ring ein durchdachtes Konzept für Kunst im und am Bau umgesetzt. Zum Zweiten kauft man nicht, nur weil man es kann, zwei mannshohe, in der Anmutung sehr Wurm’sche Kunstwerke, die man dem Nachfolger und den Abgeordneten wie zwei ausgestreckte Mittelfinger ins Haus knallt. Auch wenn die Kunstwerke als solche sehr dekorativ sind.

Wollte Sobotka, der sich in Kunstfragen für einen Experten hält, verhindern, dass sein Nachfolger Walter Rosenkranz von der FPÖ einen womöglich zweifelhaften Kunstgeschmack in der Volksvertretung auslebt? Wollte er ein letztes Mal zeigen, dass ihm die schlechte Nachrede über sein Allmachtsgebaren piepegal ist? War er bei Wurm, warum auch immer, im Wort?

Wolfgang Sobotka hat das Amt des Nationalratspräsidenten an der Wiener Ringstraße wie einer ausgefüllt, der sich von Gott gesandt fühlte; Kritiker seiner einsamen Entscheidungen mochten ruhig an seinem Hosenbein emporkläffen, er hörte es nicht. Vielleicht war das der Grund für das Anschaffen der zwei Skulpturen von Erwin Wurm auf den letzten Metern: Sie sehen aus wie sehr, sehr große Hosenbeine.

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