Österreich:Molterer bestätigt Rücktritt als ÖVP-Chef

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Das Fiasko der ÖVP bei der österreichischen Nationalsratswahl fordert ein erstes Opfer: Parteichef Molterer tritt ab. Gerüchte gibt es über den Rücktritt von Fraktionschef Schüssel.

Nur einen Tag nach dem Wahldebakel für die österreichische Volkspartei ÖVP ist deren Vorsitzender Wilhelm Molterer, 53, von seinem Amt zurückgetreten. Molterer bestätigte dies nach einer zweistündigen Sitzung des erweiterten ÖVP- Vorstandes vor Journalisten in Wien. Sein vorläufiger Nachfolger im Amt des Parteichefs wird der 40-jährige amtierende Umweltminister Joseph Pröll.

Schüssel und Molterer geben nach Medienberichten ihre Posten in der ÖVP auf (Foto: Foto: Reuters (Archiv))

Nach Informationen der in Innsbruck erscheinenden Tiroler Tageszeitung hat auch der amtierende ÖVP-Fraktionsvorsitzende und Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sein Amt zur Verfügung gestellt.

Der frühere Vizekanzler Molterer hatte die konservative ÖVP als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl am Sonntag geführt. Die ÖVP fuhr dabei mit 25,6 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Auch die zweite Volkspartei SPÖ erlitt mit 29,7 Prozent einen herben Dämpfer. Deutlich zulegen konnten dagegen die rechtspopulistischen Parteien FPÖ und BZÖ, die gemeinsam auf knapp 30 Prozent der Stimmen kamen. Als wahrscheinlich gilt trotz der Verluste für ÖVP und SPÖ eine Neuauflage der im Juli geplatzten großen Koalition.

Nach dem starken Abschneiden der Rechtsparteien bei der Nationalratswahl war im Laufe des Tages von diversen ÖVP-Politikern der Fortbestand der großen Koalition in Frage gestellt worden. Vor ihrer Vorstandssitzung äußerten vor allem ÖVP-Politiker aus den Bundesländern ihren Unmut über die historische Niederlage und forderten zum Teil offen den Rücktritt von Parteichef Wilhelm Molterer.

Mehrere Minister, darunter Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, wollten auch eine Koalition mit den beiden Rechtsparteien FPÖ und BZÖ nicht ausschließen.

Die Vorsitzende der niederösterreichischen ÖVP-Jugendorganisation, Bettina Rausch, forderte daraufhin bereits am Sonntag unumwunden den Rücktritt der bisherigen Führungsriege. Molterer, Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel oder Wirtschaftsminister Bartenstein seien "nicht jene Personen, die wir jetzt brauchen, um die Zukunft von Partei und Staat zu gestalten".

Auch der einflussreiche niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll verlangte "Konsequenzen". Dagegen sprach sich der frühere Kanzler und ÖVP-Vorsitzende Schüssel gegen eine Personaldebatte nach der Niederlage aus.

Unterdessen machte der immer wieder als künftiger ÖVP-Chef genannte Umweltminister Josef Pröll deutlich, dass die Volkspartei notfalls auch in die Opposition gehen sollte. "Ich schließe keine Konstellation von vorneherein aus. Alle Optionen - auch die Opposition - müssen für uns denkbar sein."

Wirtschaftsminister Bartenstein wiederum sprach sich strikt gegen eine große Koalition und für ein Bündnis mit der Rechten aus. Es gebe im Land eine "bürgerliche Mehrheit". "Wir wollen an die sich bietenden Optionen offen herangehen und sehen keinen Grund, uns einseitig festzulegen." Es könne nicht sein, dass die große Koalition "wieder die einzig denkbare Regierungsvariante ist", so Bartenstein.

Von den übrigen Parteien war am Tag nach der Wahl nicht viel zu hören. Nach dem wochenlangen Wahlkampf haben sie für Montag einen Ruhetag angesetzt. Sie wollen in den nächsten Tagen über ihre politischen Pläne nach der Wahl entscheiden.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/ihe/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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