Österreich:Mitterlehner will "kein Platzhalter" für Kurz sein

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Mitterlehner, der auch sein Amt als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister niederlegte, war der vierte ÖVP-Chef innerhalb von zehn Jahren. (Foto: REUTERS)
  • Der österreichische Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat alle Ämter niedergelegt
  • Mitterlehner machte deutlich, er wolle "kein Platzhalter" sein - und spielte damit auf das Lager um Außenminister Sebastian Kurz an.
  • Mitterlehner, der auch sein Amt als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister niederlegte, war der vierte ÖVP-Chef innerhalb von zehn Jahren.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Mit einem Aufritt, der an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig ließ, hat der österreichische Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner am Mittwoch alle Ämter niedergelegt. Er zog damit die Konsequenzen aus einem Machtkampf, der sich vor allem in der eigenen Partei abspielte.

Mitterlehner machte deutlich, er wolle "kein Platzhalter" sein - und spielte damit auf das Lager um Außenminister Sebastian Kurz an, dem Interesse an einer Kanzlerkandidatur nachgesagt wird. Man könne nicht zugleich "Regierungsarbeit leisten und in der Opposition" sein, so Mitterlehner, der ausdrücklich sein gutes Verhältnis zu Kanzler Christian Kern (SPÖ) betonte. In Österreich regiert eine Koalition der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ.

Kern trat bereits eine Stunde nach Mitterlehner vor die Presse und machte klar, dass seine Partei trotz des Rücktritts des Vizekanzlers und möglicher weiterer personeller Änderungen beim Koalitionspartner nicht an Neuwahlen interessiert sei. Er bot stattdessen "der ÖVP und Sebastian Kurz" eine Reformpartnerschaft bis zu den regulären Wahlen im Herbst 2018 an. Dass er Kurz explizit nannte, weist darauf hin, dass der Regierungschef eindeutig von dessen Nominierung als Mitterlehners Nachfolger ausgeht.

Kurz hatte noch am Vortag bestritten, den ÖVP-Vorsitz übernehmen zu wollen. Mitterlehner hat in seiner Rücktrittsrede allerdings deutlich gemacht, dass seine Partei und sein "präsumtiver Nachfolger schon seit Monaten" wüssten, dass er als Spitzenkandidat nicht zur Verfügung stehe - was im Umkehrschluss klarmacht, dass Kurz längst bereitsteht. Er hat die besten Umfragewerte in der ÖVP, an ihm als Nachfolger Mitterlehners führt mittelfristig kein Weg vorbei.

Der Landesverband Burgenland hat sich bereits für Kurz ausgesprochen. Der Parteivorstand wird nun in den kommenden Tagen entscheiden, wie es weitergeht. Vorgezogene Neuwahlen sind also nicht ausgeschlossen, sollte sich die ÖVP unter einem neuen Vorsitzenden doch aus der Koalition zurückziehen.

Mitterlehners Spitzname lautet "Django"

Mitterlehner, der auch sein Amt als Wirtschafts- und Wissenschaftsminister niederlegte, war der vierte ÖVP-Chef innerhalb von zehn Jahren; sein Vorgänger Michael Spindelegger hatte ebenfalls mit einer "Es-reicht-Rede" und dem Verweis auf innerparteiliche Machtkämpfe das Handtuch geworfen. Mitterlehner, dessen Spitzname "Django" lautet, sagte, er gehe auch aus "Selbstschutz", und kritisierte explizit den ORF, der es an Respekt habe fehlen lassen. Letzter Mosaikstein für seinen Rücktritt sei ein eingeblendetes Filmplakat in der ZiB2-Nachrichtensendung vom Dienstag gewesen, auf dem es hieß "Django - Die Totengräber warten schon".

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der nach Mitterlehner und Kern eine Erklärung abgab, lobte den scheidenden Vizekanzler als kompetenten, konsensorientierten Politiker. Er verstehe, dass die ÖVP-Gremien jetzt Zeit zum Sondieren bräuchten, mahnte aber zugleich an, dass zügig Klarheit geschaffen werden müsse, wie es weitergehen solle. Van der Bellen forderte nach den Dauer-Querelen der vergangenen Monate, in denen sich die Regierungspartner immer wieder gegenseitig angegriffen hatten, eine "Kultur des Respekts" und stellte sich damit demonstrativ hinter Mitterlehner, der die "wechselseitigen Provokationen" beklagt hatte.

Mitterlehner hatte zuletzt am Dienstag nach der Kabinettssitzung dementiert, dass er aufgeben wolle, war aber bereits erkennbar frustriert. Sein mutmaßlicher Nachfolger, Sebastian Kurz, wird seit Monaten als Kanzlerkandidat gehandelt, der größere Chancen habe, die in Umfragen drittplatzierte ÖVP im Wettstreit mit FPÖ und SPÖ wieder in eine Regierung zu führen. Der Außen- und Integrationsminister ist zwar erst 30 Jahre alt, gilt aber als einer der einflussreichsten Politiker in einer Partei, die unter dem Einfluss der Flüchtlingskrise und der Stärke der Rechtspopulisten zunehmend nach rechts gerückt ist.

Während viele Oppositionspolitiker und alle Medien Mitterlehner für seine Arbeit und seinen Schritt Respekt zollten, begannen die ersten Kritiker, sich auf Kurz einzuschießen. Die satirische Tagespresse zeigte ein Foto Mitterlehners mit der Unterschrift: "Endlich frei, Mann gelingt Flucht aus dem Irrenhaus". Der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz sagte: "Ich verstehe nicht, warum man zum Messer im Rücken des Parteichefs Zukunftshoffnung sagt."

Tatsächlich ist aber noch nicht endgültig ausgemacht, dass Kurz sich nicht doch noch verweigert; er hatte den Parteivorsitz als "nicht attraktiv" bezeichnet, was unter den bestehenden Umständen noch eine Untertreibung sein dürfte. In der österreichischen Hauptstadt wird bereits gemutmaßt, dass Kurz den neuen Posten nur antreten wird, wenn die ÖVP-Granden in strukturelle und personelle Reformen einwilligen.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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