Österreich:Auch ohne Meerzugang lebt die Geschichte der Marine weiter

Lesezeit: 2 Min.

Österreichisch-ungarische Marinesoldaten posieren 1918 auf dem Schiff "Bodrog" im Hafen von Odessa. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Österreich hat seit 1918 keine Flotte mehr, doch bis heute organisieren sich Menschen in Marinekameradschaften. Was treibt sie an?

Kolumne von Gerhard Fischer

Wir in der Redaktion bekommen ja viele E-Mails, mal gibt es Lob, das uns erröten lässt, mal Tadel, den wir natürlich verdienen, mal Belehrungen, die wir mit Demut ertragen; und häufig gibt es Tipps, worüber man schreiben sollte. Ein Wiener, nennen wir ihn Herr Otto, schlug uns vor, über eine Veranstaltung zu berichten, in der es um Wiener Dialekt geht und die so beworben wird: „Vom Wappler bis zur Krätzn, vom Dillo bis zum G’söchtn.“ Die Süddeutsche, so Herr Otto, sollte „einen Artikel über Weanerisch im Beisel in der Brigittenau bringen. Mit tollen Interviews von Urwienern. Das wär doch was, oder?“ 

Sprache, Tradition, Folklore. Das lieben die Österreicher, und das lieben wir Deutsche an den Österreichern. Das Sacher und die Sisi, der Herr Geheimrat und die gnädige Frau. Da atmet Geschichte, da wird einem warm ums Herz, da denkt man an die Tante Jolesch von Friedrich Torberg, die weit nach dem Untergang der Monarchie auf den Hinweis, heute Abend spiele Österreich – Ungarn, fragte: gegen wen?

Womit wir bei der Seemacht Österreich-Ungarn wären, an die heute, Folklore hin oder her, wirklich keiner mehr denkt. Dachten wir.

Neulich erreichte uns diese E-Mail: „Hallo, bringen Sie doch einmal einen Bericht über die österreichischen Marinekameradschaften, eine skurrile Einrichtung, da Österreich seit 1918 keine Marine mehr hat.“ Angehängt war ein Artikel der Lokalplattform „Mein Bezirk“ zum 90. Jubiläum der Marinekameradschaft Salzburg.

Bevor wir zur Kameradschaft kommen, hilft ein historischer Exkurs: Zu Österreich-Ungarn gehörten bis 1918 – unter anderem – die Meeresanrainer Slowenien und Kroatien. Die Marine war in Pola (heute Pula in Kroatien) stationiert. Dort gab es „ein eigenes Marineviertel mit Kaserne, Kirche und Spital, eine Marine-Akademie und ein hydrografisches Amt“ (Die Presse).

Vor der kroatischen Küste feierte die Marine Österreich-Ungarns ihren größten Sieg: In der Seeschlacht von Lissa bezwang sie am 20. Juli 1866 die italienische Flotte, Admiral Wilhelm von Tegetthoff – ein Steirer mit westfälischen Ahnen – ließ die feindlichen Schiffe einfach rammen. Hach, man denkt an die jüngste Wahl in Österreich: Manchmal würde man diese Polit-Dillos von der ... auch gerne rammen. Macht man natürlich nicht.

Also, Österreich hat seit 106 Jahren keinen Meereszugang mehr, aber das Land hat heute noch zwölf regionale Marinekameradschaften mit etwa 800 Mitgliedern. Warum?

Schauen wir in die Chronik der oben erwähnten Kameradschaft in Salzburg. Dort steht: „Nach Beendigung des Ersten Weltkriegs und der damit verbundenen Auflösung der stolzen und unbesiegten k.u.k.-Kriegsmarine durch die Siegermächte bilden sich mancherorts Soldatenverbände, die das Ziel haben, in die Heimat zurückkehrende Soldaten karitativ zu unterstützen.“ Zudem sollten die Tradition der Marine und die Gemeinschaft gepflegt werden. Als Vereinslokal diente unter anderem der Gasthof „Zum Elefanten“. Heute kommen nicht nur Seefahrer, sondern alle, „die sich für die Marine, ihr Wesen und ihre Geschichte interessieren“, sagt Vereinsboss Uwe von Faltin. Die Rundschrift der Marinekameradschaft Salzburg heißt übrigens Das Bullauge.

Ach ja, Namen: Wappler ist ein untüchtiger Mann, Dillo ein Schwachkopf, Krätzn ein hinterlistiger Mensch und G’söchts ein heiß geräuchertes Schweinefleisch.

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