Österreich:Offenbar erste Festnahme in Inseratenaffäre

Einem Medienbericht zufolge wird eine Meinungsforscherin festgenommen. Kurz vor einer Hausdurchsuchung soll sie die Festplatte ihres Computers gelöscht haben. Im Parlament macht die Opposition Druck auf Ex-Kanzler Kurz und die ÖVP.

In der sogenannten Inseratenaffäre hat es in Österreich offenbar eine erste Festnahme gegeben. Wie der Standard berichtet, wurde die Meinungsforscherin Sabine Beinschab festgenommen. Sie werde der Bestechung beschuldigt. Dem Kurier zufolge wird ihr vorgeworfen, für die ÖVP Umfragen geschönt zu haben, die dann in der Zeitung Österreich veröffentlicht worden seien. Vor einer Hausdurchsuchung soll sie nach Informationen des Standards die Festplatte ihres Computers gelöscht haben, es habe deshalb Verdunkelungsgefahr bestanden.

Am Samstag war Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach erheblichen Vorwürfen zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Korruptionsverdachts. Kurz und sein Team sollen für den Aufstieg des ÖVP-Spitzenpolitikers Steuermittel zweckentfremdet, Umfragen geschönt und sich positive Medienberichte erkauft haben. Kurz bestreitet die Vorwürfe.

Nach seinem Rücktritt will sich Kurz aber nicht zurückziehen, sondern weiter in der ÖVP aktiv sein. Die konservative Fraktion im Nationalrat wählte ihn am Donnerstagabend in geheimer Abstimmung ohne Gegenstimme zum neuen Klubobmann, was der Position eines Fraktionschefs gleichkommt. Der bisherige alleinige Fraktionschef August Wöginger wurde ebenfalls einstimmig zu seinem ersten Stellvertreter gewählt. "Wir werden gemeinsam mit ganzer Kraft für die Menschen in Österreich arbeiten", teilten Kurz und Wöginger mit.

Kurz' Nachfolger als Bundeskanzler, Alexander Schallenberg, führt seit Montag die Koalition von ÖVP und Grünen an. Beide Parteien haben die Regierungskrise für beendet erklärt. Trotz des Rücktritts von Kurz haben die Korruptionsvorwürfe ein parlamentarisches Nachspiel. An diesem Dienstag will die Opposition in einer Sondersitzung des Nationalrats Missstände bei der ÖVP anprangern und Misstrauensanträge gegen die Regierung einbringen. Eine Mehrheit haben sie dafür allerdings nicht.

Kurz wird erst am Donnerstag vereidigt

Die rechte FPÖ will einen Misstrauensantrag gegen das gesamte Kabinett einbringen, da die Grünen aus ihrer Sicht das korrupte Machtsystem der ÖVP weiter stützen. Die sozialdemokratische SPÖ plant einen Misstrauensantrag nur gegen Finanzminister Gernot Blümel - wegen seiner Nähe zu Kurz. Zusätzlich wollen die FPÖ und die liberalen Neos im Parlament eine transparentere Regelung für die Vergabe von Medieninseraten der Regierung anstoßen, um Gefälligkeitsjournalismus einen Riegel vorzuschieben. Außerdem arbeitet die Opposition auch an der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Der neue Kanzler Schallenberg betonte in einer Regierungserklärung im Nationalrat seine proeuropäische Haltung. Der neue Regierungschef kündigte an, noch diese Woche nach Brüssel zu reisen. Dabei sind Gespräche mit EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant. Kurz war immer wieder mit EU-kritischen Tönen aufgefallen. Schallenberg verlor allerdings kein Wort über die Ermittlungen gegen Kurz und kündigte auch keine Pläne zur Bekämpfung von Korruption an.

Die oppositionellen Sozialdemokraten kritisierten Schallenberg dafür scharf. Sie forderten einen klaren Schnitt mit dem konservativen Machtapparat seines Vorgängers. Schallenberg solle sich von allen unter Korruptionsverdacht stehenden Mitarbeitern von Sebastian Kurz trennen, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Bisher scheine es so, dass das "System Kurz" weiterregiere. "Wer blind folgt, kann nicht führen." Die bekanntgewordenen Chats des Ex-Kanzlers zeigten ein Sittenbild der Skrupellosigkeit und des Machtmissbrauchs.

Auch die rechte FPÖ kritisierte die ersten Auftritte von Schallenberg deutlich. Der Regierungschef habe gleich in seiner ersten Rede das Ende des Neubeginns verkündet, so FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl. Schallenberg habe ein "Treuegelöbnis gegenüber dem tiefen türkisen Staat abgegeben", meinte Kickl mit Verweis auf die Parteifarbe der konservativen ÖVP.

Kurz soll erst am Donnerstag als Abgeordneter vereidigt werden. Er wird somit weder an der Sondersitzung am Dienstag noch an der regulären Sitzung am Mittwoch als Abgeordneter teilnehmen.

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